Digitale Heimat
«Im Dickicht der Städte» heißt ein frühes Drama von Bertolt Brecht, 1924 wurde es in Berlin aufgeführt. Regie führte Erich Engel, die Ausstattung besorgte der Bühnenbildner Caspar Neher. Dieser zeigte «Räume, von denen man nie so recht weiß, ob sie eigentlich Innenräume oder Straßen sind. Himmel und Luft sind mit Steinen zugebaut, und diese bröckeligen Wände sind doch nicht stark genug, um den Menschen wie eine Heimat von der Außenwelt abzuschneiden – es ist alles nur Straße», so der Kritiker Julius Bab in der «Berliner Volks-Zeitung» vom 31. Oktober 1924.
Zur Heimat hätte es also deutlich stärkerer Wände bedurft, die gegen die Straße und die Öffentlichkeit schützen. Die für Ruhe sorgen vor den anderen, den Eindringlingen, die nicht einmal Fremde sein müssen. Brecht, Neher und Engel hatten damals das Berliner Stadtleben im Ohr, die ungeschützte Öffentlichkeit mit lärmenden Kindern in engen Hinterhöfen, die wie Schalltrichter jeden Streit, jede Musik, jedes Tellerklappern vielfach verstärken. Je digitaler die Welt seitdem geworden ist, desto öffentlicher hallt heute jeder Streit, jede Musik, jedes Tellerklappern über tausende Kanäle in jede noch so energieeffizient abgedichtete ...
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Tanz Jahrbuch 2018
Rubrik: Eroberer, Seite 91
von Arnd Wesemann
«Wir brauchen dringend einen Ort, um unseren Bestand (Kostüme, Bühnenbilder, Mobiliar, also unsere ganze Geschichte der letzten 30 Jahre) für einen vorübergehenden Zeitraum von sechs Monaten einzulagern. Wenn Sie von einem kleinen Schuppen, Zimmer, Haus oder einem geschlossenen Raum wissen, mit Alarmsicherung und zu einem menschenfreundlichen Preis, dann helfen Sie...
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