Der tanzende Schnupfen
Herr Duponchel ist ein hagerer, gelbblasser Mann, welcher, wo nicht edel, doch vornehm aussieht, immer trist, eine Leichenbittermiene, und jemand nannte ihn ganz richtig: un deuil perpétuel. Nach seiner äußeren Erscheinung würde man ihn eher für den Aufseher des Père Lachaise, als für den Direktor der großen Oper halten. Er erinnert mich immer an den melancholischen Hofnarren Ludwigs XIII.
Dieser Ritter von der traurigen Gestalt ist jetzt Maître de plaisir der Pariser, und ich möchte ihn manchmal belauschen, wenn er, einsam in seiner Behausung, auf neue Späße sinnt, womit er seinen Souverän, das französische Publikum, ergötzen soll, wenn er wehmütig-närrisch das trübe Haupt schüttelt (…) und wenn er das rote Buch ergreift, um nachzusehen, ob die Taglioni …
Sie sehen mich verwundert an? Ja, das ist ein kurioses Buch, dessen Bedeutung sehr schwer mit anständigen Worten zu erklären sein möchte. Nur durch Analogien kann ich mich hier verständlich machen. Wissen Sie, was der Schnupfen der Sängerinnen ist? Ich höre Sie seufzen, und Sie denken wieder an Ihre Märtyrerzeit: die letzte Probe ist überstanden, die Oper ist schon für den Abend angekündigt, da kommt plötzlich die Primadonna und ...
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Tanz April 2018
Rubrik: Warm-Up, Seite 1
von Heinrich Heine
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