beat der knochen
Ausgerechnet der Tod, ausgerechnet die Sterbenden tanzen in den Totentanz genannten Darstellungen, wie sie seit dem Mittelalter verbreitet waren. Sie tanzen gemeinsam und nicht selten wild, in ihren letzten Momenten wie außer Rand und Band. Die Knochen der Totengerippe biegen sich bisweilen wie Gummi; lässig federn die muskel- und fleischlosen Gesellen in den Knien und schlenkern mit den Armen. Sie tanzen gern mal Ringelreihen, tanzen gern zu Musik, wie man auf den Bildern sieht. Live-Musik würde man – ironischerweise – heute dazu sagen.
Aber ist nicht das Sterben – sofern es sich nicht um einen überraschenden, lidschlagschnellen, etwa unfallverursachten Tod handelt –, oft ein schrittweiser Verlust der Bewegungsfähigkeit, des Radius’ eines Körpers? Vom weiten Gehen übers kurze Gehen zum Nur-noch-Sitzen und endlich zur Bettlägerigkeit. Von den Bewegungen des sich weitenden und verengenden Brustkorbs zum vielleicht finalen Bewegtwerden am Beatmungsgerät, zur völligen Bewegungslosigkeit schließlich. Wenn man davon absieht, dass sich die Gäste in unserem Körper, die Mikroorganismen, auch nach unserem Tod noch in uns bewegen können.
Kein Gegensatz, sondern ein intimes Gespann: Tanz und ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von tanz? Loggen Sie sich hier ein
- Alle tanz-Artikel online lesen
- Zugang zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von tanz
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Tanz August/September 2013
Rubrik: traditionen, Seite 66
von Sylvia Staude
So sieht der Nachtmahr eines Theaterdirektors aus: Hunderte von Schülern zwischen 6 und 16 Jahren im Zuschauerraum, dazwischen ein paar Lehrer, Erzieher, Väter und Mütter – und dann streikt, unmittelbar nach Vorstellungsbeginn, die Technik. Was wird passieren, nachdem der Inspizient um fünf Minuten Pause gebeten hat, damit der Tanzteppich wieder geflickt und...
Ein Schmerz, der sich dosieren lässt. Man atmet tief in ihn hinein, atmet gegen den Widerstand an, gibt sich dem Konflikt hin zwischen gewollter Grenzerweiterung und instinktiver Grenzwahrung. Geist gegen Körper. Der Machtkampf wird nirgends so ehrfurchtsvoll zelebriert wie beim Stretching. Bis zum perfekten Spagat, wenn die Scham den Boden küsst – das...
Herr Neumeier, auf den ersten Blick könnte man angesichts Ihres Œuvres den Eindruck gewinnen, dass Sie ein Geschichtenerzähler sind, ein Dramaturg, ein Choreograf, den eher ein Plot, eine Figur, ein Mensch inspiriert. Natürlich stimmt das so nicht, wenn man beispielsweise an Ihre lebenslange Beschäftigung mit der Musik Gustav Mahlers denkt. Welche Wichtigkeit hat...
