antonia baehr, valérie castan: «Misses and Mysteries»
Totsein setzt voraus, dass man vorher schon mal da war. Wenn man danach immer noch da ist, dann ging vermutlich etwas nicht mit rechten Dingen zu. Am Theater ist das nichts Ungewöhnliches. Für Kinder schon gar nicht. Sie spielen gerne tot. Das liegt auch daran, dass sie alles lieben, was keine (moralischen) Grenzen bzw. Schubladen kennt. Nach Lust und Laune wechseln sie beim Spielen das Geschlecht oder auch die Spezies und erheben tote Gegenstände in den Kreis der Lebenden.
Solch einem ungeniert-impulshaften kindlichen (Um-)Ordnungsprinzip folgt auch das choreografische Hörspiel «Misses and Mysteries» von Antonia Baehr und Valérie Castan. Nur ist hier nichts dem Zufall überlassen: Die «Nouvelle Vague Drag Show» ist das Ergebnis einer bis ins letzte Detail durchkonzipierten grotesken Wahrnehmungsverwirrungspartitur. Auf der Grundlage von Audiodeskriptionen für blinde und sehbehinderte Menschen sowie von John Smiths Kurzfilm «The Girl Chewing Gum» (1976) umspannt und unterläuft das Stück, zuletzt bei «Made in Potsdam» und nun bei der Tanzplattform zu sehen, den ganzen Facettenreichtum repräsentationsgeladener Erzählkunst.
Beschrieben wird zunächst im Dunkeln. Vor dem inneren Auge ...
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Tanz März 2016
Rubrik: Produktionen, Seite 14
von Christine Matschke
Man kann darüber streiten, ob die tanzbewegte Clubkultur bloß eine eskapistische Dauerparty für gesellschaftlich früh Emeritierte ist oder doch eher eine vielversprechende Parallelwelt und damit gelebte Utopie. Klar ist: Zwischen Ballermann und Berghain existieren prinzipielle Unterschiede – auch in den Musik- und Bewegungskonzepten der Besucher.
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