Raimund Hoghe
Raimund Hoghe ist am 14. Mai 2021 im Alter von 72 Jahren verstorben. Diese Würdigung erschien im tanz-Jahrbuch 2019.
Er ist 70 Jahre alt. Ein Hoffnungsträger? Er trägt jedenfalls seine Bühnenstücke in die Theater und zum Publikum hin. Wie Pakete. Die packt er aus. Dann gibt er etwas ab. Was und wie man ihm das abnimmt, ist die Frage, immer wieder. Ob man mehr als zuschaut, nämlich hinschaut. Vielleicht gar aufschaut.
Hoffnung ist ein zu kleiner oder zu einfacher Begriff für das, was er seit 27 Jahren choreografiert.
Hoghe, der mit einem Buckel auf die Welt kam, in Wuppertal, und in den muffigen 1950er-Jahren von seiner Mutter alleine erzogen wurde, der als Kind Theaterstatistenluft schnupperte, sich aufs Schreiben verlegte, Journalist wurde, berühmte und ganz unberühmte Menschen porträtierte, der bei Pina Bausch und dem Tanztheater landete, zehn Jahre blieb als Dramaturg; der sich dann selbst mitten auf die Bühne stellte. Oder sich dort neben andere Tänzer legte, die er selbst arrangiert hatte. Der um sie herumging. Bei ihnen kniete. Der lief, balancierte, Dinge ablegte und auflas. Der sie anfasste, oder sich von anderen anfassen ließ.
Er lässt sich berühren: von der Historie verfolgter Künstler, von Monumenten der Tanzgeschichte, von Diven, von Musik. Von dem, was Tänzerinnen und Tänzer tun, wenn er schöne Musik auflegt, vom Tod des syrischen Jungen Alan Kurdi. Und dann packt er das ein, ganz zart, mit origamihaft viel Luft. Er schafft eine Leere, radikale, bedeutungsvolle Leere.
Bei all der Hektik im Tanzkunstbetrieb und den riesigen Relevanzbehauptungen ehrt Hoghe das alte «wir spielen für -euch» und die Ruhe, die es braucht. Er platziert winzige Matten auf der Bühne, legt sich hinter jede, hebt sie ein wenig an, schräg, als könne sie ihn wie ein Zelt schützen, baut mit hinzugelegten Stäbchen Häuser, wie in Kinderzeichnungen. Er liest Briefe von Ausgewanderten an Daheimgebliebene vor. Furchtbar fragil ist das «Daheim», das anderswo Hingehen ein Akt der Hoffnung oder Verzweiflung. Hoghes «Lettere amorose 1999 – 2019» maßen sich an, ganz lapidar traurig zu machen. Hoffnung bleibt. Weil es so etwas gibt.
Melanie Suchy
Tanz Jahrbuch 2019
Rubrik: Hoffnungsträger, Seite 169
von Melanie Suchy
Sie hat keine Scheu vor politischer (Tanz-)Geschichte, vor der brodelnden Gegenwart schon gar nicht. Eva-Maria Schaller, ausgebildet an der Ballettschule der Wiener Staatsoper und bei Codarts in Rotterdam, ist zeitgenössische Tänzerin – etwa bei Emio Greco, Itzik Galili, Anouk van Dijk. Außerdem choreografiert sie, unterrichtet Countertechnique und nähert sich mit visionärer Neugier und...
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