Goldstandard

Johanna Bormann, Expertin für Kultursponsoring, im Gespräch

Tanz - Logo

Johanna Bormann hat zwei Arbeitsplätze. Der eine ist bequem zu erreichen, es ist ihr Zuhause: Homeoffice in Berlin und München. Und der andere ist auf dem Parkett – wahlweise im Opernhaus, im Theater, im Museum. Ich kann sie mir gut vorstellen beim People‘s Business. Elegant gekleidet, wach, gut gelaunt und informiert, pflegt sie vor und nach einer Aufführung, einer Ausstellungseröffnung ihre Geschäftsbeziehungen, erweitert ihr Netzwerk.

Johanna Bormann, seit 2011 mit der Agentur «Sponsorplan» unterwegs, die sie mit einem Partner gegründet hat, hält das von ihr sogenannte People’s Business, das persönliche Gespräch, für enorm wichtig. Das unterschätzten Künstler und Intendanten häufig:

«Es ist so, dass Kulturinstitutionen am erfolgreichsten Sponsoren finden, wenn sich der Chef oder eine ihr oder ihm sehr vertraute Person ganz persönlich darum kümmern. Sie haben die Autorität, für die Institution zu sprechen. Und sie sind diejenigen, die auch auf Geschäftsführungs- oder Vorstandsebene von Unternehmen als die Personen auf Augenhöhe wahrgenommen werden. Sie können am individuellsten und verbindlichsten über Sponsoringverträge sprechen und gemeinsam Ideen entwickeln.» Die Vorbehalte sind bisweilen groß, die Hindernisse hoch: «Ich glaube, es ist es manchmal schwierig für Menschen, die aus Kunst und Kultur kommen, eine Scheu zu überwinden, auf diese Personen direkt zuzugehen. Sie haben möglicherweise das Gefühl, dass das eine unzulässige Bittsteller-Rolle ist. Das ist aber überhaupt nicht so. Ja, es braucht vielleicht so etwas wie Sendungsbewusstsein. Aber auch die Freie Szene hat ja etwas anzubieten, was im Zweifelsfall hochqualitativ ist und das in seiner Existenz oder Nicht-Existenz einen großen Unterschied macht für die Kulturszene einer Stadt. Und das persönlich an der richtigen Stelle zu adressieren, ist der erfolgreichste Weg, um zu Partnern zu kommen. Es ist zugleich aber die höchste Hemmschwelle, dass der Intendant sagt – ich bin doch für das Künstlerische zuständig und nicht für meine eigene Vermarktung.»

Und noch etwas steht bei der Anbahnung von Kultursponsoring oft im Weg: die Sprache. Wer sich durch die Website von «Sponsorplan» klickt, stößt auf eine von Anglizismen und betriebswirtschaftlichen Termini durchsetzte Welt. Das ist ein Problem, räumt Johanna Bormann ein. Aber diese Sprache müsse man gar nicht verwenden. Es gehe um Authentizität: «Wenn man ein Angebot macht, sollte man genau überlegen: Wie kann mein Gegenüber von mir als Institution profitieren? Nach dem Motto: ‹Ich möchte, dass Sie investieren, und ich erzähle Ihnen, warum das für Sie erfolgreich ist.› Das sollte man mit seinen eigenen Worten formulieren und es ist absolut keine Rocket Science, also Raketenwissenschaft. Man muss darüber nachdenken, was man Wertvolles anzubieten hat. Das wird manchmal regelrecht unterschätzt.» Obwohl Kultursponsoring seit Jahren immer wieder ins Spiel gebracht wird, bleibt es im kulturpolitischen System Deutschlands ein Stiefkind. Es gibt keine Ansprechpartner, keinerlei Hilfestellung. Nur wenn die öffentlichen Kassen leer sind, kommen Kulturpolitiker mit guten Ratschlägen um die Ecke so wie Berlins ehemaliger Kultursenator Joe Chialo in einem Interview mit der «Frankfurter Allgemeinen» im November 2024. Chialo sagte: «Ich glaube schon, dass man sich Gedanken machen muss, wer eigentlich in Berlin von der Kultur profitiert. Und das sind ja auch viele Unternehmen, die Berlin als die Stadt preisen, die für ihre Mitarbeiter spannend ist und wo man Kultur erleben kann.»

Johanna Bormann meint zum Thema: «Es ist ziemlich wohlfeil, in dem Moment, wo man öffentliche Budgets kürzt, plötzlich nach privatem Engagement zu rufen, wenn man es vorher nicht getan hat. Und ich weiß auch, dass der Berliner Senat wenige bis gar keine Versuche unternommen hat bisher, so etwas wie Kultursponsoring zu fördern. Systematisch durch Beratung und durch Leitfäden zum Beispiel oder auch einfach durch kommunikative Vernetzung von Unternehmen und Kulturschaffenden. Insofern klingt es eher nach einer Ausflucht.» Wie ist es denn um individuelles Sponsoring – oder vielleicht eher: Mäzenatentum – bestellt? «Es ist ein guter Punkt, da die Unterscheidung zu treffen. Es gibt sowohl auf der Unternehmensseite als auch bei Privatpersonen das Spendenwesen, also das Mäzenatentum. Bei Unternehmen gibt es zusätzlich das Sponsoring, und das sind zwei vollständig unterschiedliche Kategorien. Sponsoring ist eine Marketingleistung, ein Vertrag zwischen einem Sponsor und jemandem, der das Geld bekommt. Da werden Leistung und Gegenleistung ausgehandelt, und die Unternehmen verfolgen damit ganz klare Strategien auf unterschiedlichen Gebieten. Wenn man das Mäzenatentum von Unternehmen nimmt, dann fällt das nicht in den Bereich Marketing, sondern in den Bereich Spendenwesen, und da gibt es normalerweise auch keine Verträge, sondern das läuft ganz klassisch durch Zuwendungen. Wenn man jetzt das unternehmerische Engagement gegen das private stellt, dann sehe ich auch aufgrund meines persönlichen Engagements für Kulturinstitutionen in Berlin, dass die Menschen in ganz hohem Maße bereit sind, sich privat zu engagieren. Auch jetzt schon. Wenn man sich anschaut, was die Fördervereine, die Freundeskreise von Berliner Kulturinstitutionen alles auf die Beine stellen, sind es enorme Volumina, die im Wesentlichen daraus bestehen, dass sich ganz viele Menschen mit moderaten Beträgen zusammenfinden und persönlich an den Verein oder die Institution spenden, die sie gerne unterstützen möchten. Ich finde, das ist in Berlin schon extrem stark ausgeprägt, dieser Goodwill in der Bevölkerung. Privatleuten zu sagen, ‹jetzt müssen Sie aber endlich mal ran›, dafür ist es der falsche Zeitpunkt, denn das ist schon längst Praxis.»

Bormann weiß, wovon sie spricht. Sie ist im Vorstand des Freundeskreises des Staatsballett Berlin und kennt die Gründe, warum sich Menschen dort engagieren: «Wir haben eine große Bandbreite vom stillen Großspender, der nicht möchte, dass sein Name irgendwo auftaucht, über diejenigen, die bei jeder Veranstaltung dabei sind und alle Privilegien ihrer Mitgliedschaft nutzen, bis hin zu den Großspendern, die dann auch gerne sagen, ich bin hier als Spender aktiv geworden und möchte dafür mit meinem Namen stehen. Ein anderer Aspekt ist, dass man sich gerne mit Gleichgesinnten vernetzt, und es auch einen gewissen Prestigefaktor hat, wenn man Mitglied ist. Man möchte und darf für seinen Goodwill belohnt werden und anderen zeigen: ‹Ich unterstütze das ebenfalls, ich bin ein Freund, und ich bin großzügig.› Abgesehen davon ist es so, dass wir Kulturfördervereine, ein ganz, ganz großes ‹Asset› haben, wie wir als Unternehmer sagen – und das ist Nähe herzustellen zu Künstlern, die man normalerweise als Zuschauer gar nicht bekommen würde. Da erlebe ich anrührende Momente, nicht nur bei Autogrammstunden oder in Proben. Beim Staatsballett Berlin zum Beispiel sind die Tänzer wahnsinnig offen und positiv gesinnt gegenüber dem Freundeskreis. Und diese Gespräche, die Zusammentreffen, die dann stattfinden, haben für viele Mitglieder etwas Magisches.»

Der Freundeskreis ist erstaunlich gewachsen in den letzten Jahren, und das Staatsballett hat einen sehr verlässlichen Hauptsponsor an seiner Seite: die Weberbank. Für Bormann eine ideale Partnerschaft. Aber es gibt auch andere Beispiele: das erfolgreiche Festival «Movimentos» in Wolfsburg, das die VW-Tochter Autostadt GmbH jahrelang finanziert und 2020 anlässlich der Pandemie sang- und klanglos eingestellt hat. Ausschlaggebend war im Hintergrund angeblich die Abgasaffäre bei dem Autobauer. «Nein, davor kann man sich nicht schützen», sagt Bormann, denn in Unternehmen wechseln die Verantwortlichen, und solche Ausgaben müssten intern legitimiert werden. Helfen können auf mehrere Jahre angelegte Verträge und natürlich das People’s Business. Es kommt immer auf die handelnden Personen an.

Bormann berät auch beim Sportsponsoring – ein ganz anderes Geschäftsfeld: «Der Sport ist immer vermeintlich besser zu rechtfertigen als die Kultur. Wenn Sie das ganz große Feld Fußball angucken, dann haben sie Zuschauerzahlen, die Sie messen können. Sie haben Werbeäquivalenzwerte, Sie können relativ einfach große Umfragen starten zur Imageentwicklung und so weiter. Und Sie können sehr schön mit den Zahlen spielen und arbeiten, so wie es professionelle Marketingabteilungen auch tun. Daher ist die Angriffsfläche nicht so groß wie bei der Kultur. Man kann bei der Kultur genau die gleiche Erfolgsmessung machen. Das wird bisher leider zu selten getan.» Im Zeitalter der Benchmarks hat dieses Versäumnis gravierende Auswirkungen: «Das führt unter anderem auch dazu, dass man ein Kulturengagement, weil es vermeintlich mehr auf persönlichem Geschmack und Gefallen beruht, eher mal beenden kann, als man es im Sport tun würde. Fußball geht immer, und da ist nichts Ideologisches, nichts Geschmackliches dabei. Also gehen Vorstände da nicht so schnell ran wie an ein kulturelles Engagement.»

Kultur versus Sport gleich David versus Goliath, nennt Bormann dieses Verhältnis. Der Sport bewegt Massen, viel Geld und genießt enorme mediale Aufmerksamkeit. Faktoren, die keine noch so erfolgreiche Ballettcompagnie für sich reklamieren kann. Und wer regt sich schon darüber auf, wenn ein Unternehmen Sport fördert? In der Kultur hingegen macht man damit eine starke Setzung – sponsert man Gorki Theater, Berliner Ensemble oder Schaubühne? Oder gar die Volksbühne mit den verstörenden Aufführungen einer Florentina Holzinger? Geschmack, ideologische Ausrichtungen, all das fließt ein in Entscheidungen, wen und welches Haus man fördert. «Führend im Kultursponsoring sind die Dinge, die ‹weniger weh tun›. Das muss man ganz klar sagen. Ganz vorne sind – budgetär gesehen – Musikfestivals, also Populärkultur. Danach kommen klassische Musik, also zum Beispiel die großen Open Air Veranstaltungen, große Orchester, dann Museen, und weit dahinter Theater.» Und damit auch der Tanz. Kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Vielleicht ist das People’s Business mit potenziellen Geldgebern sogar erfreulicher als das mit ahnungslosen und desinteressierten Kulturpolitikern? Einen Versuch ist es wert.

Johanna Bormann studierte Kunstgeschichte und Städtebau, begann ihre Laufbahn beim «Deutschen Akademischen Austauschdienst» in New York, hatte unterschiedliche Führungspositionen bei Omnicom, bevor sie 2011 «Sponsorplan» mitgründete, das Unternehmen im Bereich Sport-, Kultur-und Social-Sponsoring berät. Neben Vortrags- und Vorlesungs-Tätigkeit engagiert sich Johanna Bormann privat im Vorstand der Freunde der Berlinischen Galerie, der Freunde des Staatsballetts Berlin, zudem ist sie bei FidAR e. V. (Frauen in die Aufsichtsräte) aktiv.


Tanz Jahrbuch 2025
Rubrik: Barrieren, Seite 64
von Claudia Henne

Weitere Beiträge
Revolte

«Ich habe oft davon gesprochen, dass in meinem Körper eine ältere Schwester von mir lebt. Wenn ich aufzustehen versuche, hockt sie sich hin. Wenn ich hocke, dann steht sie. Wenn ich mich mit meinem Tanz beschäftige, isst sie die Finsternis in meinem Körper auf. Wenn sie hinfällt, bedeutet das viel mehr, als dass ich einfach stünde. Sie ist meine Lehrerin geworden. Ja, die Toten sind meine...

Online: arte

Es lässt sich ja nicht behaupten, dass Tanz in der Netz- und Social-Media-Welt kaum eine Rolle spiele: Podcasts, Videoportale, TikTok & Co – überall sind Bewegungs- und Bewegtbilder anzutreffen. Und trotzdem sticht eine Plattform immer wieder hervor, auch in der Jahrbuch-Umfrage 24/25: ARTE, der deutsch-französische Kulturkanal samt Mediathek. Mit gutem Grund, denn das Portal ist ein...

Lichtblicke

Natur
Es stimmt natürlich: Zeiten können schwierig sein, und gegenwärtig fühlt sich vieles bedrückend an. Trotzdem merke ich, wie mir das Fokussiertbleiben auf sinnvolle Arbeit, die Verbundenheit mit anderen Menschen und das Festhalten an Zielen beim Durchhalten hilft. Die Natur spielt eine wichtige Rolle für mich, wenn ich mich erden möchte. Etwas so Simples wie ein Spaziergang mit...