lausanne: Boris Charmatz: «manger»
Boris Charmatz hat einen Preis bekommen. Die Kinderjury der «Ruhrtriennale» verlieh ihm den ersten Platz in der Kategorie: «Sie sollten ihre Schrauben nachziehen». Und ja: Auch als Zuschauer muss man halbwegs locker im Hirn sein, wenn man eine Stunde lang an einem Ensemble Vergnügen hat, das auf dem Boden herumrobbt, immerzu essbares Papier in sich hineinmümmelt, dazu murmelt und summt. Charmatz macht es seinen Gegnern mit seiner bizarren Tanzvesper «manger» leicht, ihre Ressentiments zu pflegen.
Vierzehn Tänzer auf der Bühne, sie kommen aus dem Zuschauerraum, arrangieren sich zum lose-amorphen Schwarm. Jeder vereinzelt, doch geeint im Gesang. Die Gruppe intoniert Corelli, György Ligeti, auch Popsongs, Hip-Hop oder den Prozessions-Satz aus Beethovens 7. Symphonie, von Richard Wagner einst als «Apotheose des Tanzes» bezeichnet – ein ironisches Aperçu in einer Performance, die dem alten Vorwurf des Charmatz-typischen «Null-Tanzes» alle Ehre erweist. Tanz als Bewegung im Raum? Gibt es nicht. Dafür sanft auf- und abwellende Bäuche, schamloses Knabbern am eigenen Körper oder kollektiv zuckende Leiber, wenn der Nahrungsbrei durch die Gedärme rumpelt – gemeinsam performte Peristaltik.
Vor ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von tanz? Loggen Sie sich hier ein
- Alle tanz-Artikel online lesen
- Zugang zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von tanz
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Tanz November 2014
Rubrik: kalender und kritik, Seite 47
von Nicole Strecker
screening_________
gardenia
war 2010 das Erfolgsstück der belgischen les ballets C de la B. Mit einem transsexuellen Star, der damals noch keiner war: Vanessa van Durme. Nun, 200 Vorstellungen in 25 Ländern später, wurde aus dem Tanzabend von Alain Platel und Frank Van Laecke (tanz 10/10) ein Film – keine Bühnenadaption, sondern ein Blick ins echte Leben der sechs...
Arm ist, wer mit der Sorge ums Geld aufsteht, aus Sorge ums Geld arbeitet und mit derselben Sorge wieder ins Bett steigt. Armut kann unermesslich sein, und darum ist sie auch nicht messbar, nicht mal an der Füllhöhe des Kühlschranks. Ist einer erst dann arm, wenn er keinen Kühlschrank mehr hat? Arm ist vielmehr, wer sein Denken nur noch schwer in andere Bahnen...
im dezember: klassisch heute_______
Wenn Alexei Ratmansky am 13. Dezember beim Bayerischen Staatsballett seine «Paquita» vorstellt, braucht man sich um mangelnde Aufmerksamkeit nicht zu sorgen: Zum ersten Mal erarbeitet der gefragte Choreograf ein Petipa-Ballett auf Grundlage des umfangreichen Quellenmaterials – als Höhe- und Schlusspunkt einer Klassiker-Pflege,...