IM «Tänzer»

Wie die DDR vor zwanzig Jahren ohne ihre besten Tänzer endete? Stasi und Stagnation vertrieben die Kunst.

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Aktenberge. Allein die Abschriften seiner Telefongespräche füllen vier schwere Ordner. «Telefongespräche der banalsten Art», erinnert sich Claus Schulz, der mehr und mehr den Eindruck gewinnt, als ob die Informanten der Staatssicherheit (Stasi) um jeden Preis Material geliefert hätten – und sei’s nur Lug und Trug gewesen. «In meinen Akten stehen Sachen drin, die sind nicht zu glauben», schnaubt er, Zornesröte steigt ins Gesicht, kaum dass er sich den Morgen im Lesesaal der sogenannten Birthler-Behörde wieder ins Gedächtnis ruft.

Erst nach einiger Zeit hat er begriffen, wer der «Star» eigentlich ist, von dem in den Berichten immer wieder die Rede ist, und wer der «Wald»: sein inzwischen verstorbener Lebensgefährte aus der Bundesrepublik. Zur Erklärung: «Ich hatte seinerzeit am Müggelsee ein Grundstück. Wenn wir uns mal unter vier Augen unterhalten wollten, sind wir dazu einfach in den Wald, wo man uns wohl beobachten, aber nicht belauschen konnte.» Also heißt es lapidar im Protokoll: «Wald» und «Star» unterhalten sich von ... bis ... Nach drei Stunden hat Schulz von der Lektüre seines vermeintlichen Lebens die Nase voll. Wütend klappt er den Aktendeckel zu, macht sich vor dem ...

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Tanz Oktober 2009
Rubrik: DDR, Seite 16
von Hartmut Regitz

Vergriffen
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