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Der virtuose Architekt

Benjamin Millepied vertanzt Bach

Benjamin Millepied gehört zu den Promis der Ballettszene. Inzwischen handelt es sich nicht mehr um den angeheirateten Ruhm, den er ein paar Jahre lang ertragen musste, nachdem er Hollywoodstar Natalie Portman geehelicht und mit ihr kurz hintereinander Aleph und Amalia Millepied-Portman in die Welt gesetzt hatte. Nein, Millepied hat sich mit seiner eigenen Kompanie L.A. Dance Project (LADP), die nun auch bei den Festwochen der Autostadt Wolfsburg, den «Movimentos», gastiert, im internationalen Markt durchgesetzt. Und damit auch die Scharte ausgewetzt, die seinen Namen 2016 ins Gerede brachte: Nach nicht mal zwei Jahren im Amt warf er damals das Handtuch als Direktor des Pariser Opernballetts. Was ganz schön gewagt war für einen Enddreißiger, den man sozusagen auf den Thron aller Throne der Ballettwelt berufen hatte.

Millepieds Ansatz ist ein anregender Mix aus amerikanischer Lässigkeit und französischem Elitismus, was angesichts seiner Herkunft nicht verwundert. Schließlich ist das jüngste von drei Geschwistern in Bordeaux geboren, nach Lehrjahren bei der eigenen Mutter in Lyon ausgebildet, aber an der American School of Ballet mit dem letzten Schliff versehen worden.

Von dort aus ging es direkt ins New York City Ballet (NYCB), wo Millepied 2001 zum Principal Dancer gekürt wurde. 2005 beauftragte ihn das Grand Théâtre de Genève mit einem «Nussknacker», mit «Closer» gelang ihm im Jahr darauf ein sinnlich flirrender Pas de deux, in «Years Later» brillierte der -sagenhafte Mikhail Baryshnikov für ihn – und beförderte den Newcomer Millepied zum Hoffnungsträger mit steigendem Marktwert.

In Wolfsburg zeigt er unter anderem den ersten Teil seiner «Bach Studies», eine kraftvolle, tanzgesättigte Unternehmung, mal verspielt, mal todernst, mal streng auf der choreografischen Fährte des Barock, mal heiter gelöst bis augenzwinkernd mit den Technizismen der Gegenwart jonglierend.

Bach ist eine alte Liebe: Wer in den Tiefen des Netzes gräbt, findet eine Viertelstunde Film aus dem Jahr 2000, aufgenommen vom Regisseur Olivier Simola: Millepied choreografiert und tanzt Bachs «Chaconne» an allen möglichen und unmöglichen Schauplätzen in New York – eine supercoole, alterslose Auseinandersetzung mit der Stadt, die niemals schläft. Warum also Bach? Millepied sagt: «Bach ist einerseits so sensitiv, so emotional und andererseits total strukturiert – ein Architekt der Musik. Ich finde, beides zusammen macht die Essenz des Menschlichen aus. Bach ist nie sentimental, und doch ist da ein riesiges Spektrum an Gefühlen: Freude, Melancholie, Introspektion und Extrovertiertheit. Immer wieder unglaublich auch, wie er mit Instrumenten umgeht und uns umgekehrt dazu bringt, mit unserem Körperinstrument umzugehen.»

Das ausführliche Porträt des Choreografen
von Dorion Weickmann finden Sie in tanz 8-9/2019.

Das L.A. Dance Project gastiert vom 8. bis zum 10. August bei «Movimentos» in Wolfsburg; www.movimentos.de