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Karriere im Osten

Der Leiter des Ballet de l'Opéra national du Rhin, Bruno Bouché

Bouché war 18 Jahre alt und gerade als Praktikant ins Ensemble der Pariser Opéra eingetreten, als Pina Bausch ihn 1997 für eine Nebenrolle in ihrem «Frühlingsopfer» auswählte: «Das war wie eine Revolution! Ich hatte viel von Serge Lifar getanzt, in grauen Strumpfhosen. Und dann stand ich mit nackten Füßen im Erdboden. Ich konnte nachts nicht mehr schlafen und verstand: Genau dafür wollte ich Tänzer werden, und nicht für sauber ausgeführte Grands jetés!» Der nächste Schock folgte auf dem Fuß. Raphaëlle Delaunay knallte die Opéra-Tür zu und machte sich auf nach Wuppertal, um dort ihre Vision von Tanz zu verwirklichen. So entstand ein doppeltes Pina-Beben, für das Ensemble wie für den jungen Bruno. Der warf sich danach mit voller Kraft in die internen Opéra-Wettbewerbe, bis er 2003 den Rang eines Sujet eroberte. Kaum war das geschafft, stand die Dame aus Wuppertal wieder vor der Tür. Als Bausch 2005 dem Pariser Ensemble ihre «Orpheus und Eurydike»-Fassung überlieferte, war es um Bruno geschehen. «Ich wollte zu ihrer Kompanie wechseln. An der Opéra war alles so steif und hierarchisch!» Doch Bauschs Vision war eine andere. «Sie sagte mir klipp und klar: ‹Bruno, bei mir bist du nicht an deinem Platz!› Ich verstand es so, dass ich meine eigene Arbeit entwickeln sollte.» Das tat er zu der Zeit vor allem im Rahmen von «Incidence Chorégraphique», einem Arbeitskreis im Rahmen des Opéra-Ensembles. 2000 hatte er den gegründet, doch zunächst lud er eher seine Kolleg*innen zum Choreografieren ein. Und Pina Bausch spukte noch immer in seinem Kopf: «Ich hatte drei Tage in Wuppertal verbracht. Der Himmel hing tief. Es regnete ununterbrochen, ein wenig Neonlicht zerriss die Dunkelheit. Da begriff ich, dass die Atmosphären im Osten mich mehr anziehen als die schillernden Farben des Südens.»

Den gesamten Beitrag von Thomas Hahn lesen Sie in tanz 3/22

(Portrait: Agathe Poupeney)