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Heimgekommen

Der neue Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper, Vladimir Jurowski

Ja, der neue GMD spricht. Mit dem Publikum, mit Journalisten. Gern und ausgiebig, ganz anders also als sein nach außen stummer Vorgänger Kirill Petrenko. Doch nicht, weil sich Jurowski als Conférencier gefällt, macht er das. Sondern weil er eine Mission hat. Er will begründen, warum er gerade dieses oder jenes Werk ausgesucht hat und seine Begeisterung (mit)teilen. Und weil sich, wie er findet, das Selbstverständnis des Dirigenten geändert hat. Dieser sei nicht mehr «Beschäftigter in einer Art Musikwerkstatt», er müsse andere Aufgaben erfüllen. Manchmal auch auf politischem Areal. «Ich bin froh und sogar ein bisschen stolz, dass ich der erste Dirigent in der Geschichte eines sowjetischen Staatsorchesters war, der seinen Vertrag eigenhändig und selbstbestimmt auslaufen ließ.» Er könne sich noch gut an die Gespräche mit dem damaligen Minister erinnern. Der habe nicht verstanden, dass ein Künstler wie Jurowski auch mal aus freien Stücken geht, weil er dies für notwendig hält. «Es ist schon erstaunlich, dass man Politikern immer noch erklären muss, was für die ihnen unterstehenden Kunstbetriebe besser ist.»

Seinen Beginn an der Bayerischen Staatsoper wertet der 49-Jährige als «eine Art Heimkommen». Der gebürtige Moskauer hat bereits in leitender Position Musiktheater dirigiert, als Kapellmeister der Komischen Oper Berlin und beim Festival in Glyndebourne. Außerdem ist er durch die Engagements seines Vaters Michail Jurowski am Bolschoi oder am Stanislawski- und Nemirowitsch-Dantschenko-Musiktheater mit Oper sozialisiert worden. Doch GMD zu sein, das ist neu. Überhaupt markiert der Herbst 2021 einen Lebensumbruch. Die Positionen beim London Philharmonic Orchestra und beim Staatlichen Akademischen Sinfonieorchester Russlands hat Jurowski abgegeben. Künftig konzentriert er sich auf München und auf das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin. Mit seiner Familie behält er den Wohnsitz in der deutschen Hauptstadt. Das Reisen wird eingeschränkt, Flüge soll es kaum mehr geben. Eine Frage der Stressbefreiung ist das, vor allem aber eine der Ökologie: Seit 2016 nutzt Jurowski innerhalb Europas nur noch die Bahn – einmal sogar, als Schneechaos herrschte und er sich von Berlin mit mehrfachem Umsteigen nach London vortastete für ein Weihnachtsoratorium.

Das gesamte Porträt von Markus Thiel lesen Sie in der Januarausgabe von Opernwelt