Ich glaube, dass wir im Theater und vor allem im Musiktheater die unglaubliche Gnade besitzen, dass wir die Zeit bescheißen können.
Das müssen Sie mir erklären.
Ein gesprochenes Wort ist immer Jetzt-Zeit. Musik oder ein gesungener Satz können dazu führen, dass die Zeit, obwohl sie real weiterläuft, langsamer oder schneller läuft. Oder im allerbesten Fall stehenbleibt. Sie wissen ja, Augenblick, verweile doch ... Das kann Musik leisten. Und es ist ein unfassbares Geschenk, dass dergleichen existiert. Deswegen wird auch das Genre nicht sterben, obwohl es längst totgesagt ist. Weil es genau das vermag: dass wir entweder schneller oder langsamer werden – oder sogar abheben. Und weil wir dann im Jetzt sind. Angst hat immer nur mit Vergangenheit oder Zukunft zu tun. Im Jetzt sind wir angstfrei. Auch wenn es gleich wieder vorüber ist. Wenn ich im Jetzt bin, bin ich ruhig.
Sind Sie im Jetzt, wenn Sie auf eine Probe gehen?
Ja. Da könnte draußen die Welt untergehen.
Darf ein Hospitant bei Ihnen zehn Sekunden zu spät zur Probe kommen? Oder rasten Sie dann aus?
(lacht) Ich raste sehr selten aus. Und nicht in einem solchen Moment.
Wann dann?
Das passiert, wenn etwas wirklich zu viel wird. Aber das geht auch anders und hat im Endeffekt mit der Tatsache zu tun, dass eine Gruppe von Menschen, Chor oder Orchester, anders funktioniert als ein Individuum. Bei einem Chor geht es nicht darum, dass die das gut finden, was ich mache. Es geht darum, dass sie spüren: Der weiß, was er will. Das wird schon bei der ersten Probe sondiert.