Ungeheulte Tränen

Aischylos, Sivan Ben Yishai, Maren Kames, Miroslava Svolikova «Orestie» am Theater Münster

Theater heute - Logo

Eigentlich gehört sie gar nicht dazu. Iphigenie, ist «die Handlung vor der Handlung / der Hintergrund / um die Story auszulösen». Schließlich, so erzählt es Aischylos’ «Orestie», muss Iphigenie geopfert werden, damit ihr Vater Agamemnon überhaupt gegen Troja in den Krieg segeln kann. Denn vorher ist da Windstille, gottverdammte Flaute. Agamemnon also opfert seine Tochter. Wind kommt auf und mit ihm Krieg, Schuld und Verhängnis. Später Mord, Betrug, und Rache – die ganze Orestie eben.

 

Iphigenie also ist nicht mehr als «eine halbe Zeile / in der Geschichte ihres Vaters / Absatz 7.1.2 in seinem detaillierten Wikipedia-Eintrag», ist «der Zündfunke, der Firestarter». So nüchtern, feinsinnig ironisch beschreibt Sivan Ben Yishai die Frauenfigur. Ben Yishai, Miru Miroslava Svolikova und Maren Kames haben für die Spielzeiteröffnung am Theater Münster die «Orestie» fortgeschrieben. Dafür legen die Autorinnen Iphigenie mit «Das Dilemma meines Vaters» (Sivan Ben Yishai) einen sehr heutigen, sachlich-analytischen Prolog in den Mund, geben mit «kassandras» (Miroslava Svolikova) der hellsichtigen Seherin unzählige ungehörte Stimmen und lassen in «Ich glaube ich spuke – eine ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute 11 2022
Rubrik: Chronik, Seite 58
von Katrin Ullmann

Weitere Beiträge
Offen und unbestimmt

Olga Grjasnowas Roman «Der Russe ist einer, der Birken liebt» war vor einigen Jahren ein Bezugspunkt fürs Theater: Yael Ronen inszenierte den Stoff 2013 zur Eröffnung von Shermin Langhoffs Intendanz am Berliner Gorki Theater und setzte so eine erste Duftmarke, wo dieses Theater identitätspolitisch hinwollte. Langhoff schwebte ein Theater für die multikulturellen...

«Die Hoffnung stirbt zuletzt»

Theater heute Der Kabinettshaushaltsenwurf der nächsten zwei Jahre für das Goethe-Institut beinhaltet Kürzungen von 26 Millionen Euro im Vergleich zu 2021, das sind ungefähr 10 Prozent des Etats. Was bedeutet das? 
Manfred Stoffl Auch wenn ich nur für den Bereich Theater spreche, muss man das in größerem Kontext betrachten: Alle Bereiche im Inwie Ausland sind davon...

Begegnungsstätte mit Bibliothek

Und dann spucken die Nebelmaschinen noch mehr Dampf aus. Rotes Licht legt sich darunter, eine embryoartige Vorhölle, in der ich mich den Bässen hingebe. Nur schemenhaft sind die Darsteller in ihren historischen Amish-People-Kostümen noch zu erkennen, von statuarischer Schönheit und manchmal ekstatischer Gemeinschaft. Zwei halten eine, die sich nach hinten zuckend...