Kein Thema mehr?
Die Klima-Krise und das Theater
Kürzlich hat der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags Helmut Dedy im Deutschlandfunk «ohne Tabus» über mögliche Einsparungen von Wärmeenergie im Bereich Sport und Kultur nachgedacht. Welche Ironie, wenn ein relevanter Umweltbeitrag der Theater ausgerechnet in deren erneuter Schließung bestünde! Nach der Pandemie hat der Krieg Russlands gegen die Ukraine und Europa mit der Gesellschaft auch die Theater getroffen. Beide Ereignisse banden und binden alle gesellschaftlichen Kräfte, sodass die menschengemachten irreversiblen Klimaveränderungen auf der To-Do-Liste wieder ein Stück nach hinten rutschen. Es scheint ja auch nahezuliegen, erstmal den Brand im Nachbarhaus zu löschen, obwohl ringsum die Wälder lodern. Die Quittung für den fortgesetzten, immer noch weiter wachsenden Ressourcenverbrauch kommt ohnehin erst in ein paar Jahren.
Auch im Theater ist in der letzten Spielzeit das Thema Klimakrise wieder an den Katzentisch gerückt, nachdem es schon mal deutlich weiter vorn auf der Tafel stand. Im großen Transformationspaket, das sich die Kulturinstitutionen derzeit überall auf die Fahnen schreiben, sollen ökologischer, ökonomischer und sozialer Umbau Hand in Hand gehen. Und tatsächlich sah es Ende der letzten Spielzeit so aus, als würden sich Nachhaltigkeit und Klimaneutralität, für die sich einige Theatermacher:innen schon lange engagieren, nun endlich auf breiter Front durchsetzen. Die Kulturstiftung des Bundes hatte im Rahmen des Pilotprojekts «Klimabilanzierung in Kulturinstitutionen» Datenerhebungen zum ökologischen Fußabdruck an Theatern angeregt, in den letzten Jahren gegründete Klima-AGs an verschiedenen Häusern vernetzten sich zum Strategie- und Wissensaustausch, das Berliner Theatertreffen ernannte «Green Ambassadors», die in ihre Institutionen zurückwirken sollten. Tatsächlich beginnen sich bereits manche Standards zu ändern, wird zwar nicht systematisch, aber doch freiwillig weniger geflogen, sparsamer entworfen, gebaut, beleuchtet und geheizt. Im Bereich Kostüm entstehen Tauschzirkel, freie Gruppen tüfteln Tourpläne so aus, dass unumgängliche Flugreisen sich wirklich lohnen, in Katie Mitchells «(Kein) Weltuntergang» an der Schaubühne wurde das Bühnenlicht gar auf Rädern erstrampelt. Weitere Ideen stehen im britischen «Theatre Green Book», das die Deutsche Theatertechnische Gesellschaft DTHG gerade auf Deutsch herausgebracht hat. Und doch bleibt das Einsparpotential oft überschaubar, jedenfalls solange die Häuser an ihren Immobilien aus dem letzten und vorletzten Jahrhundert, an ihrer grundsätzlichen Produktivität und an den Menschen festhalten, die diese Produktivität ermöglichen, ja wünschen.
Auf der Bühne wurde vor allem die soziale Komponente der Transformation verhandelt. Ob beim Theatertreffen, in Mülheim, beim Impulse-Festival oder den Theaterformen – thematisch im Fokus standen Identitätsdebatten, inklusive Formate, feministische Re-Lektüren, Inszenierungen, die auf Klassismus oder Rassismus aufmerksam machen, das Making-of von Verschwörungsthorien nachvollziehen oder Kritik an Neoliberalismus und Kapitalismus üben. Die alles überwölbende Klimakrise schwingt, wenn überhaupt, eher beiläufig mit – als zusätzliche Anschärfung sozialer Konflikte oder als dystopisches, ja oft schon post apokalyptisches Setting. Woran liegt diese Priorisierung des Sozialen? Weil es da immerhin jahrhundertealte Erfahrungwerte gibt und der Stoff vergleichsweise lösbar erscheint? Weil diese umfassende planetarische Krise sich überhaupt nur bewältigen lässt, wenn Menschen sich solidarisch verhalten? Oder weil eine direkte Beschäftigung mit dem Klima einen auf die eigenen Widersprüche und Hoffnungslosigkeit zurückwirft?
Den gesamte Beitrag von Eva Behrendt lesen Sie im Jahrbuch Theater heute 2022