
Der Zauber der Dinge
Fetisch und Tanz
Fetischismus ist der Terminus einer korrupten Objektbeziehung. Vom Standpunkt der Aufklärung aus wird mit Fetisch ein Ding bezeichnet, an das Individuen oder Kollektive Bedeutungen und Kräfte knüpfen, die diesem Ding nicht primär zukommen, sondern ihm zugeschrieben werden. Ein totes Ding inkorporiert und strahlt Bedeutungen und magische Kräfte aus! Fetische also sind selbstständige Agentien, an die der Fetischist durch Verehrungs-, Furcht- oder Wunschmotive gebunden ist. Das Ding enthält Bindungsenergien. Diese Bindung verhindert, dass der Fetischist erkennt, dass er selbst es ist, der den Fetisch und dessen Attraktion kreiert. Das Verhältnis zum Fetisch ist mithin zwanghaft, bezaubernd und lustvoll, aber dennoch verblendet, ein bewusst gehandhabter Mechanismus, der dennoch im Kern unbewusst ist. Das war und ist für Aufklärer unerträglich.
Schauen wir auf die Konsumgesellschaft: Es ist der Zauber der Diven und Stars, der Ikonen und Fetische, der Rituale und Kulte, der Talismane und Souvenirs, wovon Medien, Wirtschaft, Sport und Alltag durchdrungen sind. Davon wird, wir übertreiben nicht, die ganze Gesellschaft in fiebrige Erregung versetzt. Alles, was auch nur sein will, muss auftreten können. Alles bedarf eines blow up, einer verführerischen Wahrnehmbarkeit. Dieser Zwang zur Performance, zu Sensation und Spektakel gilt für Dinge, Waren und Menschen in gleicher Weise. Das Erbe der Religionen wird geplündert, all die sakralen Techniken, wie man das Unsichtbare sichtbar, das Begriffslose handgreiflich, das Abwesende präsent machen kann. Dafür hatte man die Darstellungsformen der Künste erfunden, aber auch die Magie der Dinge entdeckt. Die Kultobjekte des Konsums heute sind nicht weniger mit Wünschen und Fantasien aufgeladen als etwa die Reliquien des Christentums.
Den vollständigen Beitrag von Hartmut Böhme
finden Sie im Jahrbuch tanz 2019.