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Ungeschminkte Wahrheit

Ein Porträt der Schauspielerin Julia Windischbauer

Wenn man Julia Windischbauer auf der Straße begegnet, wirkt sie jung, ungeschminkt und natürlich. Die hellbraune Lockenmähne wild auf dem Scheitel zusammengebunden kommt sie in einem Long-Cardigan über schwarzen Leggins über den Marstallplatz geschlendert. Nur die schweren Schnür-Boots scheinen die federleichte Gestalt fest auf dem Boden zu halten. Wir setzen uns auf eine Bank draußen im Hofgarten. Es ist Ende Mai, als sich ein Ende des Shutdowns allmählich abzeichnet und Proben bereits wieder möglich sind, Restaurantbesuche aber nur mit Mundschutz. Windischbauer ist fröhlich und energiegeladen, erschöpft gefühlt hat sie sich höchstens mal vom erzwungenen Nichtstun der letzten Wochen, weil ihr als leidenschaftlicher Vielarbeiterin nichts schwerer fällt, als still zu sitzen, und noch dazu, wo sie in dieser ersten Profi-Spielzeit gerade so gut in Fahrt war.

Nach einem derart fulminanten Start in den Traumberuf – 2019 hatte sie zudem noch den O.E. Hasse-Preis der Akademie der Künste gewonnen – so ausgebremst zu werden, ist schon eine besondere Extremerfahrung. Ein kleines Zwischentief gab es allerdings schon im Herbst, als ihr Engagement an den Münchner Kammerspielen von der neuen Intendantin Barbara Mundel nicht verlängert wurde, obwohl ein erstes Arbeitstreffen aus ihrer Sicht durchaus positiv verlaufen war: «Natürlich war ich da erstmal niedergeschlagen», gibt sie zu. Doch offiziell noch an der Falckenberg-Schule eingeschrieben, konnte sie dort wenig später das Absolvent*innen-Vorsprechen mitmachen. Kurz vor Weihnachten war dann schon der neue Festvertrag mit dem Deutschen Theater in Berlin unter Dach und Fach, wo sie ab Ende Oktober als Elisabeth in Anne Lenks «Maria Stuart»-Inszenierung zu sehen sein wird. «Ich freue mich riesig!», strahlt sie.

Ihr allererster Auftritt liegt allerdings schon über zehn Jahre zurück. Geboren 1996 in Linz, debütierte sie dort mit zwölf Jahren als Froschkönig in der Amateurtheatergruppe Linz-Dornach, in der auch ihr Großvater aktiv war. Und hörte in der Folge einfach nicht mehr auf. Parallel zum Gymnasium absolvierte sie eine Musical-Ausbildung: «Ich singe unheimlich gerne, nicht gut, aber leidenschaftlich, nur beim Treffen der Töne, da hapert’s manchmal ein wenig. Aber mittlerweile ist es mir auch wurscht, wenn ein Ton falsch ist, ich genieß das Singen einfach sehr.» Mit der Pubertät tauchten allerdings auch Zweifel auf. «Ich hab mich dann sehr mit dem Real-Sein und Echt-Sein und dem Hinter-die-Fassade-Gucken beschäftigt.» Windischbauer will sich nicht einem stereotypen Ideal anpassen, schminkt sich nicht, bleibt bei sich. Musical wird ihr dadurch immer unsympathischer, weil sie es als oberflächlich empfindet, wie man dort mit Erwartungen umgeht. «Mir gefällt total diese Tiefe im Schauspiel», sagt sie heute. «Ob man ich sie immer so greifen kann, weiß ich nicht, aber die Suche danach.»

Das gesamte Porträt der Schauspielerin Julia Windischbauer von Silvia Stammen lesen Sie in der August/September-Ausgabe von Theater heute