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Rezensionen 15. März

Görlitz: Weigert/Pelleg «Wunderland - wie nächtliche Schatten»

Am 22. März, 14. April im Großen Saal

Sind wir denn alle verrückt? Seung-Hwan Lee windet sich in einer Ecke des Proszeniums, das wie die gepolsterte Zelle einer psychiatrischen Anstalt ausgestaltet ist. Vor der Vorstellung ist der Eiserne Vorhang selbstverständlich geschlossen, aber immer wieder geistern zwei Tänzerinnen «wie nächtliche Schatten» über die Vorderbühne. So jedenfalls lautet der Untertitel des «Tanzstücks» am Gerhart-Hauptmann-Theater, das Dan Pelleg und Marko E. Weigert zwar «Wunderland» nennen, das aber nicht die Geschichte von «Alice im Wunderland» erzählt, wie die beiden Choreografen der einst in Berlin ansässigen wee dance company ausdrücklich im Programmheft versichern.

Nein, sie erzählen keine Geschichte – und dennoch denkt man sofort an Lewis Carroll, sobald sich im Fußboden eine Luke öffnet und ihr nach und nach all jene entsteigen, die in den anschließenden 80 Minuten zumindest kurzzeitig eine Rolle spielen: die Tänzerin mit einem Ballon, der im weiteren Verlauf als «Grinsekatze» ganz hinten in der Kulisse schweben wird, die Frau mit der langen Schleppe, die man für die abgestreifte Haut einer Raupe halten könnte, der Mann mit dem hohen Zylinder aus weißem Papier, den man später unschwer als «Hutmacher» identifiziert.

Voller Verweise, ist das «Tanzstück» gleichwohl ein freies Spiel der Fantasie. Das kann sich zwar zwischendurch etwas eindunkeln, wenn sich eine weitere Tiefenschicht des Traumtheaters öffnet. Aber immer wieder entdecken Pelleg und Weigert (unter ausdrücklich bekräftigter Mitarbeit aller Beteiligten) etwas Neues, selbst wenn sich das Bühnenbild von Britta Bremer nicht grundsätzlich verändert. Da kann es schon mal vorkommen, dass sich die Beine von Amit Abend verselbstständigen und ein tänzerisches Eigenleben führen. Nora Hageneier zieht sich an der Wand hoch, als könnte sie so der Erdanziehungskraft trotzen. Rafail Boumpoucheropoulos und Seung-Hwan Lee wiederum zeigen sich so zwillingshaft unter ihren Gesichtsmasken, als handelte es sich um Zwiddeldum und Zwiddeldei, die wir aus «Alice hinter den Spiegeln» kennen. Dass sie seitenverkehrt agieren, merkt man erst, wenn man auf ihre Fußspitzen achtet.  

Man muss schon etwas genauer hinschauen, um die oft ambivalenten Anspielungen mitzukriegen. So wie im «Soundtrackdesign» von Dan Pelleg folgt auch auf der Bühne eine Szene der anderen, ohne dass das Stück darüber jemals ins Stolpern gerät. Und wenn, geschieht das so virtuos, dass man dahinter immer die Absicht erkennt – und natürlich auch das erstaunliche Bewegungspotenzial des elfköpfigen Ensembles. Das Premierenpublikum reagierte jedenfalls begeistert auf das ebenso intelligente wie unterhaltsame Vexierspiel, das keine Verrücktheit auszusparen scheint. Selbst einen weißen Elefanten nicht. Auf Stelzen staksend, könnte er ohne Weiteres der surrealen Bildwelt eines Salvador Dalí entlaufen sein.

Hartmut Regitz

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