Erstklassiger Leerlauf

Viktor Bodó verlegt am Hamburger Schauspielhaus Kafkas «Das Schloss» auf die Baustelle

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Vor ziemlich genau 100 Jahren kam es mit Franz Kafkas Erzählungen und Romanfragmenten zum ersten Mal in die Welt, das Bild des Menschen als einem von diffusen Mächten fremdbestimmten Wesen. Kafkas K.s, im «Prozess» wie im «Schloss», bewegen sich in einer Welt der Unübersehbarkeiten, die ihnen fremd ist und in der sie Fremde bleiben, gleichwohl unter ständiger Beobachtung.

 

Im Hamburger Schauspielhaus ist die Vermessung des Personals schon ins Programmheft zu Viktor Bodós Kafka-Dramatisierung ge­wandert: Die Angestellten des ominösen Unternehmens «Das Schloss» werden im Stil perfider Personalakten kategorisiert nach Hierarchiestufe, Potential, Pflichtmäßigkeit, Karrierehindernis und Lenkbarkeit. Hilfreich nicht nur für die dubiosen Mächte der Personalüberwachung, sondern auch für den Zuschauer, der sich in der virtuosen Verkleidungs- und Spielkunst der mehrfach eingesetzten Schauspieler auch verirren könnte. 

Ein rastloser Parcours

Wie K., der Landvermesser, den es bei Kafka in ein abgelegenes Dorf am Fuße des Schlosses verschlagen hat, bei Bodó auf eine Baustelle kommt, an der behelmte Arbeiter ohrenbetäubend löten, schweißen, flexen, wenn sich der Vorhang hebt. Bühnenbildnerin ...

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Theater heute April 2020
Rubrik: Aufführungen, Seite 26
von Barbara Burckhardt

Vergriffen
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