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Rezensionen 30. November

Frau Luna – Operette in zwei Akten

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«In einem bunten Konfettispektakel präsentiert die Crème de la Crème der deutschen Kabarettszene ein Märchen vom Berliner Kleinbürgertum auf Raumfahrtabenteuer.» arte/Metropolis

Vom 01. Februar - 31. März 2019 im TIPI AM KANZLERAMT Berlin

Düsseldorf: Raimund Hoghe «Canzone per Ornella»

Am 30. November,  1., 2. Dezember im tanzhaus nrw

Die einstige Ballerina in Maurice Béjarts Kompanie, Ornella Balestra, steht hinter dem kleinen, buckligen, krumm ins Leben gebauten Raimund Hoghe, führt seine Hände wie die einer Puppe und greift mit ihm zum Mond und zu den Sternen. «La luna», sagt sie leise, und «le stelle», und während eines kurzen, unendlichen Moments, dem Höhepunkt dieser ungemein behutsamen Hommage, ist tatsächlich mit Hilfe des Kosmos die Zeit angehalten, zurückgedreht, unschädlich gemacht. Aber eben nur für einen Moment, denn die vergehende Zeit behauptet sich beständig als Kernthema dieser «Canzone per Ornella».

Schlager der Vergangenheit werden eingespielt: «J’attendrai» von Rina Ketty, «Avec le temps» in Dalidas Interpretation oder «Just a Gigolo» mit der emblematischen Aussage «Life is going on without me». Der einstige Dramaturg an Pina Bauschs Wuppertaler Tanztheater, der Choreograf, Biograf und Historiograf Raimund Hoghe, tritt selbst, mal als Conférencier, mal als leicht diabolischer Hausgeist in Erscheinung. Immer gleicher Gesichtsausdruck, eine autonome Instanz. 

Hoghe weist die Richtung für das enzyklopädische Bewegungsrepertoire, das Ornella Balestra absolviert: So wenn die schlanke Tänzerin, auf Stöckelschuhen, nach leicht dahinskizzierten Figuren des klassischen Balletts in einen ausgelassen jugendlichen Cha-Cha-Cha verfällt, bevor Hoghe ihr, als sei dies die Maske des Alters, eine dunkle Sonnenbrille aufsetzt – worauf sich ihre Miene verdüstert und schließlich Charles Aznavours emotional hoch aufgeladene «La Mamma» ertönt.

Aller Ernst des Daseins wurzelt in der Endlichkeit und im Abschied. Hoghe hat seine Meditation über die vergehende Zeit, der Ornella Balestra mit unvergleichlicher Grandezza widersteht, mit Gedichten von Pier Paolo Pasolini kombiniert und in eine etwas enigmatische Rahmenhandlung gefasst. Mit einem kleinen schaukelnden Modellruderbötchen in einer Miniatur-Wasserschale vor der Brust betrat er zunächst die Bühne; später wird er Ausschnitte aus Briefen junger Guineer vorlesen, Hilfsappelle an den alten Kontinent. Die Krise der Flüchtenden ist aktueller Kontrapunkt einer Performance, in der auch Hoghes Mitarbeiter Luca Giacomo Schulte eher beiläufig auftritt. Joseph Schmidt, Judy Garland, Maria Callas: Ihnen hat Raimund Hoghe Performances gewidmet. Nun errichtet er Ornella Balestra, mit der er bereits zusammengearbeitet hat, ein Denkmal der Vergänglichkeit, das sich mit seiner Zärtlichkeit und Behutsamkeit tief ins Gedächtnis einschreibt.

Eberhard Spreng

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