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Rezensionen 21. Dezember

Koblenz: Steffen Fuchs «Nussknacker und Mäusekönig»

Am 21., 26. und 30. Dezember, 3. Januar im Theater

Als wär’s ein Stück von ihm. Erst am Schluss wendet sich Arkadiusz Glebocki direkt ans Publikum und scheint das ganze Theater als eine poetische Projektion zu entlarven. Er allein, Drosselmeier, hat die Geschichte vom «Nussknacker und Mausekönig» erdacht zum Nutzen und Frommen eines Publikums, das während der Weihnachtszeit alles Wirkliche am liebsten verdrängen möchte.

Rein äußerlich betrachtet, hat Glebocki nichts von E. T .A. Hoffmann. Aber in jedem Drosselmeier steckt schließlich was von dem Autor, selbst wenn er hier mit schlohweißem, silbrig glitzerndem Perückenhaar eher einem Zirkus-Clown ähnelt, der die Pointen und Personen nur so aus dem Ärmel schüttelt. Zumal dann, wenn der Choreograf in seiner Inszenierung ganz bewusst das literarische Original reflektiert – und sich nicht auf die Nacherzählung von Alexandre Dumas d. Ä. bezieht, die dem «Nussknacker»-Ballett ursprünglich als Ausgangspunkt gedient hat.

Das aber heißt auch wieder «Das Märchen von der harten Nuss» zurückzuholen auf die Bühne, das von Peter Tschaikowsky nicht vertont worden ist. Steffen Fuchs, dem wir am Theater Koblenz schon einige durchweg diskussionswürdige Ballettaufführungen danken, hilft sich mit Tschaikowskys «Jahreszeiten» über die Runden, die schon Crankos «Onegin» auf die Sprünge halfen. Er stellt überhaupt viel um, lässt beispielsweise auf die Ouvertüre bereits den Finalwalzer folgen, um seine Aufführung zu runden (und sich die Handlungslosigkeit des 2. Aktes zu ersparen).

Gehandelt wird jedenfalls viel, und das pausenlos 80 Minuten lang. Klar, dass das nicht ohne Brüche und Blessuren abgeht. Doch dieser Choreograf ist gefuchst genug, um blitzschnell zwischen den Erzählebenen hin- und herschalten zu können. So friert er die Alltagsbewegungen des Ensembles einfach ein, um sich so eine Folie zu schaffen, von der sich die solistischen Highlights vorteilhaft abheben. Das ist originell gedacht und fokussiert den Zuschauerblick auf das Wesentliche. Grob und gewöhnungsbedürftig bunt geraten dagegen die grotesken Szenen – aber die lassen sich im grotesken «Märchen von der harten Nuss» auch schwer vermeiden. 

Getanzt wird gut und zwischendurch von Ami Watanabe sogar auf Spitze. Sie stellt die älteste der beiden Stahlbaum-Töchter dar, und wie in der legendären «Nussknacker»-Produktion von John Neumeier verwandelt sie sich ein Solo lang in die Zuckerfee. Clara Jörgens verkörpert die jüngere, Marie, von der man nicht so recht weiß, ob sie sich am Ende doch mehr von der überragenden Persönlichkeit Drosselmeiers beeindrucken lässt als von der Sprungkraft seines Neffen. Schließlich handelt es sich beim «Nussknacker und Mausekönig» um seine Geschichte, und Odsuren Dagva ist als Nussknacker/Neffe möglicherweise nur Mittel zum (moralisch verwerflichen) Zweck. 

Hartmut Regitz

https://www.theater-koblenz.de