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Harmlos geht anders

Pieter Bruegel der Ältere in Wien

Es wimmelt schon, bevor man der weltberühmten Wimmelbilder Pieter Bruegels ansichtig wird: An den Ticket-Häuschen vorm Kunsthistorischen Museum in Wien sammeln sich Menschentrauben, man steht an für eine Eintrittskarte samt Time-Slot. Und selbst wenn man für denselben Tag noch ein Billett ergattert, heißt es nicht, dass man gleich reinkommt. Mitunter muss man zwei, drei Stunden warten.

Aber es wartet sich gut im Kunsthistorischen, beim Flanieren in den großen Sälen oder bei einer Melange im imposanten Café. Natürlich keimt der Verdacht auf, die Ausstellung, für die europaweit geworben wird, sei vor allem ein Marketing-Instrument, denn zwölf der ausgestellten Bruegel-Werke hängen ohnedies im Wiener Museum; zum Publikumsmagneten werden sie erst, wenn sie aus den permanent gezeigten Beständen zur Sonderausstellung separiert und mit Leihgaben angereichert, aufgepeppt werden.

Dennoch: Noch nie waren so viele, bald 30, der insgesamt 41 verifizierten Bruegel-Gemälde an einem Ort zu sehen. Dazu unüberschaubar viele Kupferstiche und Radierungen... Und was soll‘s: Ist es auch Marketing, so hat es doch zur Folge, dass die Menschen kommen und staunen über die Wunder der Kunst.  

Was aber ist zu sehen?

Im ersten Saal vier der fünf noch existierenden Jahreszeiten-Bilder, drei davon in Wien beheimatet. Das Exemplar aus dem Metropolitan Museum in New York fehlt, das aus dem Prager Palais Lobkowicz ist da. Das kunsthistorische Parkett knirscht unter den Füßen, als ginge man akustisch mit durch die Winterwelt auf dem Gemälde «Die Jäger im Schnee»...

Und dann noch «Kampf zwischen Fasching und Fasten» und «Kinderspiele» – die Wimmelbilder, auf denen in enzyklopädischer Weise das Theatrum Mundi der Renaissance malerisch entfaltet und wie lebensecht en miniature gestaltet ist. Das Publikum steht gebannt und will die feinsten Details sehen.

Die Details sieht man jedoch besser auf den hochaufgelösten Fotografien in den Seitenräumen. Dort kann man auch alles erfahren, was die Auswahl und Beschaffenheit der Holzplatten anbelangt, auf denen Bruegel malte. Ein spannender Einblick in die Meister-Werkstatt. Dazu dann auch Gegenstände, wie sie auf den Bildern zu sehen sind – Kleider, Schuhe, Tiegel... Ein bisschen visueller Schulfunk, aber interessant und sicher auch lehrreich.

Im zweiten Saal eine Leihgabe aus Antwerpen. «Die tolle Grete» (Dulle Griet). Ein tolles Bild. Surrealistisch, theatralisch inspiriert. Und «Der Triumph des Todes», aus dem Prado. Totentanz. Als hätte Elias Canetti es in Auftrag gegeben, um Masse und Macht zu illustrieren. Man kann auch an die Verbrennungsöfen von Auschwitz denken.

Gefälliger dann, ein Saal weiter: «Bauerntanz» und «Bauernhochzeit». In einem weiteren Raum dann der berühmte «Turmbau zu Babel» als Warnung vor der Hoffart der Menschen. Dazu passt dann als ein sehr kleines großes Meisterwerk «Die Elster auf dem Galgen» – einerseits eine anheimelnde Landschaft, andererseits eine un-enträtselbare Allegorie, denn: Kreuz und Galgen kontrapunktieren das Idyll; Menschen tanzen am Todesort, andere hocken sich hin zum Scheißen... Harmlose Schönheit geht anders.

Der bleibende Eindruck des versammelten bruegelschen Oeuvres: Was zunächst mitunter wie eine putzige Kinder-Spiel-Welt daherkommt, entpuppt sich als tödlich-ernst. Bruegels Kunst malt mitten ins Leben ein Memento Mori.

Michael Merschmeier

«BRUEGEL. Die Hand des Meisters», Kunsthistorisches Museum Wien, noch bis zum 13. Januar.

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