Liebe. Eine argumentative Übung
Interview Sivan Ben Yishai
Wie lange können Sie schon vom Schreiben leben?
Im Grunde seit «Double Crisis», aber natürlich ist die Geschichte eigentlich komplizierter. Ich arbeite, seit ich 20 bin, am Theater, jetzt bin ich 41. Ich habe jahrelang als Regisseurin gearbeitet, habe auch geschrieben, aber ganz anders als heute, und ich habe unterrichtet. Vor sieben Jahren bin ich nach Deutschland gezogen, und plötzlich wirkte das Seminar «Zukunft 3» mit Maxi Obexer in Castrop-Rauxel, in dem ich «Double Crisis» geschrieben habe, wie eine gute Ostheopathiebehandlung: Es machte Knacks, ich hörte auf, Regie zu führen, und widmete mich ausschließlich dem Schreiben. Plötzlich war alles am richtigen Ort, und ich konnte mich freier bewegen als je zuvor. Ich hatte plötzlich ein Gefühl von Sicherheit, wie ich es als Regisseurin nie hatte.
Wie entsteht ein Stück, wie wird etwas «Thema»?
Ich schreibe nie zu einem Thema – und wenn doch, misslingt es zuverlässig. Es gibt Künstler*innen, die sehr gut darin sind, auf ein Thema zu reagieren. Bei mir ist es eher so, dass ich die Entscheidung treffe, überhaupt zu schreiben. Jeden Morgen habe ich eine Verabredung mit mir selbst. Ich stehe um sieben auf und schreibe. Egal, ob ich ein Projekt, ein Auftragswerk, eine Idee habe – oder eben nicht.
Also geht es um den Vorgang des Schreibens?
Ich kann und will mir nicht erlauben, wie ein Pawlowscher Hund zu reagieren, «klingeling, Auftragsstück!». Aber sehr oft entsteht dabei nur Mist, jede Menge uninteressantes Material, das ich dringend entsorgen muss, für den Fall, dass ich sterbe, damit es niemand findet. Aber nur so entdecke ich Motive, die sich wiederholen, Figuren, Stimmen, einen Rhythmus. Ich brauche diese Quelle, die erzählt. Manchmal dauert es Monate, bis ich dieses reflexive System eines sprechenden Körpers finde.
Das vollständige Interview mit Sivan Ben Yishai
sowie ihr neues Stück «LIEBE/Eine argumentative Übung»
finden Sie in Theater heute 10/2019.
Es ist seit 26. September am Nationaltheater Mannheim zu sehen.