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Stück des Jahres

Elfriede Jelinek: Schnee Weiß

Letztlich beweist die Literaturnobelpreisträgerin mit ihrer #MeToo-Reflexion, die sich vom systematischen sexuellen Missbrauch im österreichischen Skisport abstößt, natürlich doch, dass all diese Fragen (leider) nach wie vor bedrängend genug sind, um 92 gehaltvolle Manuskript-Seiten zu füllen. Jelinek nimmt den Skisport als Österreichs «heilige Kuh» buchstäblich beim Wort, schließt ihn also direkt mit der Religion kurz und legt auf luziden Umwegen über Oskar Panizzas antikatholische Satire «Das Liebeskonzil», Nietzsches Moralphilosophie oder Freuds abenteuerlichste Thesen zur weiblichen Psyche die schon im Kern tief schadhaften Fundamente offen.

Bei Jelinek, die ja seit jeher jene Grabungen in (Kultur-)Geschichte und (Nietzscheanischer Moral-)Philosophie unternimmt, setzt sich unter nämlicher Stichwortgeberschaft der österreichische Skiverbandschef mit dem Allmächtigen gleich, und auch Jesus kann die #MeToolerinnen nicht gebrauchen bei der marktstrategischen Verteidigung seines Markenkerns und Alleinstellungsmerkmals: Wäre ja noch schöner, sich von den Frauen den exklusiven Opferstatus streitig machen zu lassen!

Beitrag zum Stück des Jahres 2019