Wer macht den Juden zum «Juden»?

In Köln liest Stefan Bachmann sehr genau Shakespeares «Kaufmann von Venedig»

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Das Gift wirkt langsam, gründlich und nimmt einen langen Weg. Seine Wirkung verdankt es nicht zuletzt Thomas Dreißigackers Bühne, der in einem unmöglichen Raum das Unmögliche ermöglicht hat. Der Raum ist das sogenannte Depot 1 des Schauspiels Köln in Köln-Mülheim, weit hinter Deutz. Dieses «Depot» – eine Halle, in der eine unförmig breite Zuschauertribüne vor eine unsäglich breit-schmale Bühne geklotzt steht – trägt seinen Namen sehr zu Recht: Man sollte besser Kisten darin stapeln.

Dreißig­ackers Bühne besteht im Wesentlichen nur aus einem etwa 40 Meter breiten Laufsteg auf Stelzen, etwa zweieinhalb Meter hoch, quer zum Publikum. In der äußersten rechten Ecke ein kleiner Bandstand, in der äußersten linken Ecke ein Sofa; dazwischen die leere Spielfläche. Der Stelzentrick hebt das Geschehen auf Augenhöhe; das Cinemascope-Überbreitformat lässt die Zuschauerköpfe wandern. Oft genug sieht man die Reihen vor sich wie beim Tennis: Aufschlag vom Sofa, alle Scheitel nach links. Return von der Gegenseite, alle Augen nach rechts. So dreht man Köpfe und schraubt sie in die Aufmerksamkeit.

Was sie sehen, ist nicht besonders erbaulich, auch nicht gerade spektakulär, sondern vor allem ein ...

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Theater heute April 2014
Rubrik: Aufführungen, Seite 22
von Franz Wille

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