Todesblinzeln
Kirchen aus den 1970er-Jahren sind in der Regel leicht zu erkennen: Betonbrutalismus in Quadrat- oder Quaderform, obendrauf ein Stahlkreuz, innendrin Holzbänke, Glasfenster und ein Altar, auf dem sich metallene Kandelaber, Bibellege und ein Kruzifix zusammenfinden. Genau an diese architektonische Kargheit erinnert das Bühnenbild, mit dem Eno Henze das «Requiem» in Amsterdams Muziektheater rahmt: choreografiert von David Dawson, instrumentiert von Gavin Bryars und getanzt vom fulminanten Nationalballett der Niederlande.
Längst eine Weltklassekompanie, machen die Tänzerinnen und Tänzer einen bei jedem Hinschauen doch aufs Neue staunen. Stets tauchen sie in einen gemeinsamen Tanzstrom ein, ohne dass irgendwer darin ab- oder untertaucht. Das gilt auch für Dawsons knapp einstündiges «Requiem», -eine Tour de force, die vollen Einsatz fordert – Ausweichen unmöglich. Eno Henze nämlich hat nur eine schwarze Sperrmauer in den Bühnenhintergrund gesetzt, deren Oberfläche übersät ist mit vertikal gestaffelten Vorsprüngen – beliebtes Dekorum der Sakralkunst aus der BRD-Beton-Periode.
Ein Zitat also, von Henze gleichwohl raffiniert gebrochen, indem er rechterhand eine gigantische Spiegelwand im ...
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Tanz April 2019
Rubrik: Produktionen, Seite 16
von Dorion Weickmann
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