Clemens J. Setz: Die Abweichungen
VORSPIEL
Eine winzige Gemeindebauwohnung. Feuerwehr und zwei Polizeibeamten im Raum. Die Wohnungstür ist aufgebrochen worden. Die Polizisten stehen vor einem offenen Schrank, dessen Inhalt nur für sie sichtbar ist. Im Raum stehen auffallend viele mit Tüchern abgedeckte Kästen herum, von der Größe etwa mit kleineren bis mittelgroßen Aquarien vergleichbar.
Erster Polizist (hält sich eine seiner behandschuhten Hände unter die Nase) Wieso man die neuerdings alle in sowas findet.
Zweiter Polizist Hm, ja. Manche Leute sind halt ordentlich und falten sich selbst weg, bevor sie.
Erster Polizist Wenn die Zeit da ist.
Zweiter Polizist Vielleicht einfach Höflichkeit. Was weiß man schon.
Erster Polizist Es macht einen irgendwie fertig, wie genau sie da reinpasst. Schau dir das an. Wie eine Batterie ins Batteriefach.
Zweiter Polizist Stimmt. Füllt genau die Hohlform zwischen den Geräten aus. Absurd.
Erster Polizist Glaubt einem dann später keiner.
Zweiter Polizist Ah, die Leute glauben nie was. Vielleicht auch besser so. Weil, stell dir vor.
Erster Polizist Ja. Pause. Okay dann.
1. SZENE
Lisa Kaindl, 33, sitzt auf ihrem Bett. Sie hat ein Telefon in der Hand, sie hat soeben das Gespräch ...
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Theater heute Oktober 2018
Rubrik: Stückabdruck, Seite 99
von
Eva Behrendt Reden wir über Ihr zweites Stück!
Clemens Setz Inzwischen gibt es schon das dritte. Es wird am Grazer Schauspielhaus gerade von der Schweizer Regisseurin Claudia Bossard wild umgeschrieben, ganz neu, völlig anders.
EB Und das ist okay für Sie, auch bei der Uraufführung?
Setz Absolut. Tatsächlich scheint es diese Tradition zu geben, bei der...
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Da stehen sie nun, Auge in Auge: Die Frau im weißen Paillettenoverall, die Fledermausärmel wie Engelsflügel ausgebreitet, eine schillernde Lichtgestalt – und der Mann, breites Kreuz, Tribal-Tattoos, verrußtes Gesicht. Seine Kollegen mutmaßen, die Liebe habe ihn getroffen, doch Yank selbst wird später sagen, er habe sich nicht verliebt, sondern verhasst in diese...
