Rezensionen 7. September
Shakespeare «Macbeth» in Weimar
Am 28. September und 7. Oktober im Deutschen Nationaltheater
Verschreckt treten sie auf die Bühne, die Schauspielerinnen und Schauspieler in ihren schaumstoffgefüllten Fatsuits mit den angehefteten Geschlechtsorganen. Ein Hofstaat zum Abgewöhnen: übergewichtig und uniform; Monster, zu allem bereit. Mit an Bord sind für diesen «Macbeth» in Weimar Corinna Harfouch und Susanne Wolff, die sich Titelrolle und Lady Macbeth teilen. Die Kostüme von Lane Schäfer erinnern von Anbeginn eher an «König Ubu» denn «Macbeth». Dazu hat Julia Oschatz einen nicht minder beeindruckenden Bühnenraum geschaffen: eine Art aufgeschnittenes Haus mit Küche, Keller, großem Audienzsaal und Dach, alles gemalt mit zahlreichen tiefen Perspektiven wie in einem liebevoll, aber doch düster illustrierten Bilderbuch. Das Bläserquintett der Staatskapelle Weimar (in Skelettkostümen) unter der musikalischen Leitung von Jens Dohle und unterstützt von Steffen Illner, die beide auch sonst mit Orgel und Gitarre einiges beisteuern, vollenden das Gesamtkunstwerk, dem es nicht an Wille zur Größe mangelt.
Regisseur Christian Weise hat also einige Mittel zur Hand, um die Geschichte von Macht und Mord auf die große Bühne zu werfen. Harfouch und Wolff, die unter den monströsen fleischfarbenen Anzügen kaum zu erkennen sind, bilden den Dreh- und Angelpunkt. Wolff legt ihre Figur als Zauderer an, der wankelmütig und empfindlich mehr in die Macht stolpert, als sie wirklich zu wollen. Die Gier ist da, aber es fehlt der Wille, eher hängt sie kotzend und furzend auf dem Klo, als dass sie zur Bluttat schreitet. Deutlich unempfindlicher ist Harfouchs Figur. Kompromisslos, stur und mit dem erklärten Willen über Leichen zu gehen, erarbeitet sie sich eine maximale Präsenz.
So ist es nur folgerichtig, dass Harfouch im ersten Teil Lady Macbeth mit dicken Brüsten mimt und dann zu Macbeth wird, indem sie diese mit Kollegin Wolff gegen Schnurrbart und Penis tauscht. Ein brillanter Zug, der den energetischen Output von Corinna Harfouch nur noch erhöht. Und dann ist da noch Oscar Olivo als Banquo (und später als Fleance). Er gibt den Feldherrn mit englischem Akzent oder gleich ganz in Originalsprache und ist der spielerische Kontrapunkt. Keck und fordernd legt er eine spielerische Leichtigkeit an den Tag, die der schweren Wut und Tücke der Familie Macbeth entgegensteht.
Eine Schwere, die sich auch aus Heiner Müllers Übertragung ergibt. Für Corinna Harfouch nichts Neues, sie hat 1982 am Berliner Ensemble in der Regie von Müller schon einmal die Lady Macbeth gegeben. Müllers Sprache ist eine reine Geisterbeschwörung, die Fassung von Chefdramaturgin Beate Seidel streicht dieses Motiv deutlich heraus. Zudem kommt Macbeth deutlich politisch daher. Er spricht von starken Männern, die das Volk braucht, und von einer Nation, die stärker ist als Liebe und Leben: nationalistisches Schaudern.
Es bleibt aber nicht beim Müllerschen Raunen. Als Susanne Wolff aus einem rauchenden Ofen eine Pizza hervorholt, sind die Verweise auf das Lager Buchenwald auf dem nahe gelegenen Ettersberg überdeutlich und führen zur schwierigsten Szene des Abends. Corinna Harfouch nutzt diesen Moment, um aus Macbeth auszusteigen und in Kabarett-Manier mit einer Zigarette in der Hand über Weimar, Verantwortung, Geschichte und den Schlussstrich darunter zu räsonieren. Das ist politisch so wohlfeil, dass es schmerzt, auch die eingeübten Unkereien mit Olivo und Wolff und ihren überdeutlichen ironischen Brechungen machen es nur noch schlimmer. So wirkt es schon beruhigend, wenn wieder Müllers Geisterbeschwörungen zu raunen beginnen und das kathartisch-dramatische Ende naht. Das rollt kurz und schmerzlos über die Bühne. Fast schon wie eine Anti-Oper geht es schnell zur Sache, wenn die alte Ordnung über die neue Tyrannei triumphiert, doch auch hier beißt man auf Müllers Widerhaken: «Mein Tod wird die Welt nicht besser machen.» Aber auch nicht schlechter, ließe sich erwidern und dazu anmerken, welch dünner Lack Humanität und Zivilisation doch sein können.
Torben Ibs