Inhalt

Rezensionen 21.9.

Attou/Merzouki «Danser casa» in Düsseldorf

Am 21., 22. September im Theaterzelt beim «Düsseldorf Festival»

Mehr als zwanzig Jahre lang hatten Mourad Merzouki und Kader Attou nicht mehr gemeinsam choreografiert. Vor etwa zehn Jahren wurden beide Direktoren eines Centre Chorégraphique National, gründeten ihre eigenen Festivals, produzierten mit ihren Kompanien beeindruckende, abendfüllende Stücke. 2017 kam der Vorschlag, mal wieder die Köpfe zusammenzustecken und Pionierarbeit zu leisten, und zwar in Marokko. Auch dort trainieren B-Boys, auch dort wird gebreakt. Nur Kompanien und Hip-Hop für die Bühne gibt es nicht. Ursprünglich sollten Attou und Merzouki dort ein Casting leiten und danach den Auserwählten Auszüge aus ihrem Repertoire übergeben. «Doch wie sollen sich diese Akteure in einer Choreografie zurechtfinden, die gar nichts mit ihrem Leben zu tun hat?», fragte Merzouki. Also ging das Tandem von dem aus, was die Tänzer mitbringen. Die beiden Choreografen waren begeistert von Frische und Enthusiasmus der Tänzer aus Casablanca, Fes oder Rabat. Da spürten sie noch einmal die pure Freude am Tanz und die Energie der eigenen Anfänge vor 30 Jahren, als sie die Kompanie Accrorap gründeten. Auch die Technik der Marokkaner fanden sie sehr passabel. Anders als Merzouki vor sechs Jahren in Taiwan, als er die dortigen B-Boys für sein Stück «Yoo Gee Ti» schließlich durch zeitgenössisch ausgebildete Tänzer ersetzte. 

«Danser Casa» erzählt kleine Geschichten aus dem Alltag und bindet Motive ein, die das Kollektiv mitbrachte: beiläufige Konflikte, Szenen aus dem Straßenleben und die marokkanische Zirkustradition mit ihren Pyramiden. Die Lebenswirklichkeit beeinflusste dabei auch die Entstehung. So ist Stella Keys die einzige Frau der Truppe, nachdem eine ursprünglich mitbesetzte Kollegin plötzlich eine Arbeitsstelle fand und das Projekt verließ. Sie sind halt (noch) keine Profis, sondern Jugendliche, die unverhofft die Chance erhalten, richtige Tänzer zu werden. 

«Danser Casa» ist spielerisch, poetisch und solidarisch und löst jeden Konflikt in Harmonie auf, in einer flüssigen Choreografie, gespickt mit kleinen Kabinettstückchen wie Hebel- und Wurffiguren und dem exzellenten Popping eines menschlichen Roboters. Im Vordergrund steht eindeutig das Kollektiv und seine Freude am Tanz. Da braucht es weder Skulpturen noch Gemälde, um eine Atmosphäre herzustellen. Nur ein paar Kissen umranden die Tanzfläche, zu Beginn hängt Weihrauch in der Luft. 

Die Musik mischt arabo-andalusisches Ambiente mit Tablas und anderen transkulturellen Elementen. «Danser Casa» sei bestens geeignet, so manches Vorurteil über die arabische Welt zu widerlegen, meinen die Choreografen: «Die marokkanische Jugend ist lebensfroh und liebt die Freiheit!» In der Tat sah man die Interpreten nach der Aufführung bei «Montpellier Danse», wo das Stück seine europäische Premiere feierte, lässig die Weingläser schwenken. 

Thomas Hahn

https://www.duesseldorf-festival.de/event/danser-casa-kader-attou-mourad-merzouki-2/