Rezensionen 7. September
Emanuel Gat «Story Water» in Bonn
Am 9. September in der Oper
Als Emanuel Gat 2016 «Sunny» auf die Bühne brachte, lud er zum ersten Mal einen Musiker ein, live zu spielen: François Przybylski, Ex-Tänzer der eigenen Kompanie, und heute unter dem Künstlernamen Awir Leon ein erfolgreicher Alchimist der Töne. Doch das war nur ein Vorspiel zur aktuellen Kreation: «Story Water», ein Live-Dialog zwischen einem choreografischen und einem musikalischen Ensemble. Die Tänzer tragen Body Painting und evozieren eine Aborigines-Community. Der Titel geht auf ein Gedicht des Mystikers Rumi zurück, aus dem Gat zitiert: «Eine Geschichte ist wie das Wasser, das du für dein Bad erhitzt. Es überbringt die Botschaften zwischen dem Feuer und deiner Haut.»
Wasser, Bad und Feuer: Das alles mischt sich in der Musik, wenn sich das Ensemble Modern unter der Leitung von Franck Ollu, einem Spezialisten für zeitgenössische Musik, in das aufbrausende «Dérive 2» von Pierre Boulez wirft. Laut Gat ein «musikalisches Kaleidoskop» und laut Ollu «eine physisch ungeheuer anstrengende Partitur».
Für die Musiker, wohlgemerkt, denn die Instrumentengruppen – Perkussion, Bläser und Streicher – scheinen ständig auseinanderzustreben. Da werden unbändige Kräfte frei, die gebündelt werden müssen. Und so tut Gat hier etwas für ihn Ungewöhnliches: In der komplexen Choreografie, die weit weniger repetitiv anmutet als sonst bei ihm üblich, legt er jedes Detail genau fest. Allerdings betrifft das nur jene Viertelstunde, in der «Dérive 2» absolute Urkraft entwickelt. In den anderen Sätzen seines 70-minütigen Dreiteilers lässt Gat den Interpreten die gewohnten Freiheiten. Er gibt Material vor, und die Tänzer kombinieren es im Rahmen gemeinsam entwickelter Strukturen. In «Story Water» geht es, so der Choreograf, denn auch weniger um das Material als darum, wie die Dinge zusammenkommen. Überhaupt sei der äußerliche Eindruck eine Täuschung: «Wir arbeiten hier repetitiver als sonst, variieren aber die Energien. In anderen Stücken wiederholen wir viel weniger, aber sie werden dennoch als sehr repetitiv empfunden.»
Auf Boulez folgt «Fury II» von Rebecca Saunders. Da bündeln sich die Energien, und der Solist am Kontrabass steht mitten auf der Bühne, wird über seine symbiotische Beziehung zum Instrument quasi selbst ein Tänzer. Den dritten Teil, «FolkDance», hat Gat selbst komponiert, in Zusammenarbeit mit den Musikern. Hier vermischen sich musikalische und tänzerische Traditionen, von Schuhplattler bis Tarantella. Gat, so viel ist klar, lässt sich derzeit von der Musik tragen und beflügeln. Schließlich hat er einst Musik studiert, um Dirigent zu werden, bevor er sich dem Tanz verschrieb.
Thomas Hahn
https://www.beethovenfest.de/de/programm/alle-veranstaltungen/gesamtprogramm/story-water/