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Rezensionen 7. September

Legrenzi «Die Aufteilung der Welt» in Kiel

Am 15., 21., 29. September

Mustergültig wird an der Förde die kompositorische Qualität des 1626 in Bergamo geborenen Giovanni Legrenzi zum Klingen gebracht. Es ist erst die zweite Neuproduktion nach der Edition von Thomas Hengelbrock, der das Werk wiederentdeckt und bei den Schwetzinger Festspielen 2000 aufgeführt hatte. Das ist am Theater Kiel besonders Alessandro Quarta zu danken. Der italienische Spezialist für Alte Musik inspiriert die Streicher des Philharmonischen Orchesters der Landeshauptstadt zu einem sehnig-feinnervigen, beschwingten und geschmeidigen Klangbild, die multiplen Schönheiten der Arien kommen ideal zur Geltung. Da wird mit detailliertem Stilwissen und kantablem Ton phrasiert, man vergisst beinahe, dass dieses Orchester eigentlich bei Wagner und Strauss zu Hause ist. In der Continuo-Gruppe gastierende Spezialisten wie Joachim Held an der Laute vervollkommnen die sinnlich-sanft swingende Legrenzi-Belebung. Welch eine Wonne, Alessandro Quarta beim Modellieren der Musik zuzusehen und zuzuhören. Eine junge, italienisch dominierte, hochkompetente Sängerschar verleiht der Göttergesellschaft mit ihren Liebes- und Machtspielen plastisches Stimmprofil.

Nur Ulrich Waller weiß mit der Geschichte wenig anzufangen. Der Intendant des St. Pauli Theaters hält sich bei seinem Debüt im Opernfach allzu demütig zurück. Er stellt im von Nina von Essen gebauten Palazzo eine ehrenwerte Gesellschaft auf die Bühne, wie wir sie aus den Filmen von Fellini oder Visconti kennen. Doch die Überzeichnung der beiden trottelig schnauzbärtigen Möchtegernmafiosi Neptun und Pluto bleibt bieder und halbgar. Was in den Hinterzimmern der Intrige um Amor, Venus, Juno, Apollo, Mars und Merkur politerotisch abgeht, hat weder Biss noch Witz. Dabei legt das den Filmschnitt vorwegnehmende Tempo der Musik doch herrlich nahe, wie diese Sex-and-Crime-Komödie treffsicher abschnurren könnte. Auch aus der Einbeziehung des Balletts, für dessen Szenen Maestro Quarta Instrumentalwerke von Legrenzis Zeitgenossen Bassani, Cazzati und Vitali einbaut, schlägt das Regieteam kein Kapital. Die Tänzer verdoppeln die Stürme und Kämpfe des Eros, etwa als niedliche Nackedeis am venezianischen Lido, nur dekorativ.

Peter Krause

https://www.theater-kiel.de/oper-kiel/repertoire/produktion/titel/die-aufteilung-der-welt-1/