Tipp 21.9.
Foto: Leopold Museum / Lisa Rastl
«Machen Sie mich schön, Madame d’Ora»
Bis zum 29.10.2018 im Wiener Leopold-Museum
Dora Kallmus, Wiener Jüdin, 1881 als Tochter eines Rechtsanwalts geboren, machte Anfang der 20. Jahrhunderts rasch eine rasante Karriere als Fotografin – nicht nur wegen ihrer sehr eigenen Handschrift als Lichtbildnerin, sondern weil sie früh und in perfekter Weise Marketing betrieb: Sie fotografierte Damen der adeligen und besseren bürgerlichen Gesellschaft und berühmte Schauspielerinnen in Theaterkostümen und später dann in den Kreationen erfolgreicher Modeschöpfer; sie bündelte so die Aufmerksamkeit für ihre Portraits, weil alle Porträtierten diese wiederum für ihr Selbstmarketing einsetzten – und die Modelabels für ihre Werbung.
Unter Madame d’Oras «Kunden» waren auch sehr viele darstellende Künstler: Anita Berber, Maria Ley-Piscator, Josephine Baker, Fritzi Massary, Kyra Nijinski, Harald Kreutzberg, Maurice Chevalier, Elisabeth Bergner, Serge Lifar; und Maler wie Gustav Klimt, Tamara de Lempicka, Marc Chagall, zuletzt 1956 Picasso.
Dora Kallmus zog Mitte der Zwanziger von Wien nach Paris und konzentrierte sich auf Mode-Fotografie. 1940 versuchte sie, nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in die USA fliehen, schaffte es nicht – und versteckte sich in Südfrankreich, wo sie überlebte. Nach dem Krieg, wieder in Paris, fotografierte sie auch das Leben in Flüchtlingslagern und den Alltag im Pariser Schlachthof – mit derselben eindringlichen Genauigkeit wie zuvor und wieder die Schönen und Reichen und die Künstler. 1963 starb Dora Kallmus ein Jahr nach ihrer Rückkehr in die Heimat.
Eine sehr schöne Ausstellung, visuell eindrucksvoll, biographisch bewegend und politisch im Moment hellsichtig richtig.
Michael Merschmeier
https://www.leopoldmuseum.org/de/ausstellungen/100/machen-sie-mich-schoen-madame-dora