Rezensionen 29. März
Hildesheim: Offenbach «Die Prinzessin von Trapezunt»
Am 31. März, 8., 12., 16., 20., 31. Mai 2019 im Stadttheater
Diese Produktion ist ein bedeutender Beitrag zum Offenbach-Jahr. Weil sie hilft, die gedankliche Brücke zu schlagen von den grell-geistreichen Sozialsatiren zu «Hoffmanns Erzählungen». Unmittelbar vor «Fantasio» entstanden, im Sommer 1869, für ein Gastspiel der «Bouffes-Parisiens» in Baden-Baden, zeigt auch «Die Prinzessin von Trapezunt», wie sich die romantisch-melancholische Seite des Komponisten immer mehr Bahn bricht. Die Handlung ist zwar noch als Groteske angelegt – eine Schaustellerfamilie gewinnt per Lotterie ein Schloss, langweilt sich dann aber schnell im adligen Ambiente. Doch im Kern geht es um die Sehnsucht der Protagonisten nach Liebe.
Märchenhafte Züge hat dabei vor allem Prinz Raphael, ein schwärmerischer Jüngling, der sich in eine Wachsfigur verliebt, eben die titelgebende Prinzessin, die jedoch just bei seinem Besuch im Raritätenkabinett von einer echten Frau dargestellt wird – weil die Schausteller-Tochter ihr zuvor beim Saubermachen versehentlich die Nase abgeschlagen hat. Drei Paare werden sich am Ende gefunden haben, und ihnen gehört auch die ganze Zuneigung Offenbachs: Ihre sehnsuchtsvoll-sentimentalen Musiknummern sind mit Abstand die inspiriertesten dieser Opéra bouffe.
Zwei Protagonisten aus Barrie Koskys Leichte-Muse-Truppe an der Komischen Oper sind für «Die Prinzessin von Trapezunt» nach Hildesheim gereist, der Schauspieler Max Hopp, der hier sein Debüt als Regisseur gibt, und der aus dem Musicalfach kommende Pianist, Arrangeur und Dirigent Adam Benzwi. Auf respektvolle Weise haben sie das Stück bearbeitet, um sowohl den Esprit der Entstehungszeit freilegen als auch der Story einen heutigen Dreh verleihen zu können. An «Cabaret» erinnert ein hinzuerfundener Conférencier, der mit dem schnarrenden Tonfall von 1930er-Jahre-Radiosprechern dort die Handlung rafft, wo sie zu weitschweifig wird. Angenehm altmodisch klingen hingegen die deutschen Reime; Modeworte werden nur sparsam eingestreut, als akustisches Gewürz gewissermaßen.
Benzwi, der vom Flügel aus dirigiert, hat Offenbachs kompakte Instrumentation klug ausgelichtet und um einige witzige Klangeffekte bereichert. Sein Wunsch, die Solisten mögen unstudiert zur ersten Probe erscheinen, stieß zunächst auf Verwunderung. Doch Benzwis Taktik, den Gesang allmählich aus dem Umgang mit dem Text heraus zu entwickeln, ermöglicht eine schauspielerische Intensität, die dem sehr nahe kommen dürfte, was die Zuschauer zu Offenbachs Zeiten erlebt haben. Chanson- und moritatenhaft werden die Nummern, Deklamation und Gesang gehen nahtlos ineinander über. Dabei entsteht echtes Volkstheater, weil auch Max Hopp in seiner Personenführung auf komödiantische Natürlichkeit abzielt, auf eine bezaubernde Mischung aus Naivität und karikaturhafter Überzeichnung der Figuren. Und plötzlich erscheinen selbst die verrücktesten Volten der Handlung geradezu folgerichtig!
Das eingeschworene Hildesheimer Ensemble – Uwe Tobias Hieronimi als polternd standesdünkelhafter Fürst, Dieter Wahlbuhl als tapsiger Prinzenerzieher, der erzkomödiantische Levente György als Schausteller-Patriarch Cabriolo, Neele Kramer als seine bodenständige Tochter sowie Meike Hartmann und Julian Rohde als traumwandlerischzueinander findendes Liebespaar – wird ideal ergänzt durch drei Gäste: Jan-Philipp Rekeszus ist ein quicker Tremolini, Katharina Schutza eine wunderbar resolute Paola, und Paul Hentze gibt nicht nur den schneidigen Conférencier, sondern brilliert auch als Puppenspieler: in der Rolle von siamesischen Drillingen.
Frederik Hanssen
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