Wer heute in die Teenie-Phase kommt, hat politische Monokultur an der Staatsspitze erlebt: Angela Merkel regiert seit 2005 – und wird mittlerweile selbst von Gegnern dafür bestaunt, wie sie ihre Machtstellung behauptet hat. Wer knapp 50 ist und halbwegs tanzinteressiert, der kann sich nicht erinnern, dass es in der Freien und Hansestadt Hamburg je einen anderen Ballettprimus gab als Prof. Dr. h.c. John Neumeier.
1973 übernahm der gebürtige US-Amerikaner die Leitung des Hamburg Ballett und ging daran, ein Imperium aufzubauen: Zur Kompanie gesellte sich eine Schule, dann die weltweit bedeutendste Privatsammlung an Memorabilien zu Vaslav Nijinsky und den Ballets russes. Zuletzt kam eine Villa dazu, die nicht nur den Besitzer beherbergt, sondern auch besagte Kollektion und die Stiftung, die all das irgendwann verwalten soll. Und doch ist dieser Verbund nur Sidekick einer künstlerischen Mission, die da lautet: Es werde Tanz. Als der Choreograf am 24. Februar seinen 80. Geburtstag beging und in Hamburgs Staatsoper «The World of John Neumeier» präsentierte, konnte er aus über hundert eigenen Werken ein Galaprogramm zusammenstellen. Die Franzosen nennen ihn «incomparable» – unvergleichlich. In seiner Klasse hat er keine Konkurrenz.
Über all die Jahre ist Neumeier der Ruhm nie zu Kopf gestiegen. Im persönlichen Umgang ist er freundlich, bescheiden, und – bis er die Ab- und Ansichten des Gegenübers kennt – auf Abstand bedacht. Ganz anders im Ballettsaal: Den Tänzern begegnet er mit ungeteilter Zuwendung, aufmerksam, zugeneigt, ohne jedes falsches Sentiment. Seine Energie gerät ins Fließen und strömt dahin, stundenlang. Jede Bewegung, jeder Blick, jedes Wort – alles dient dem einen: Es werde Tanz.