Appell an den kunstvollen Blick

Peter Handke: «Spuren der Verirrten»

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Wen wundert es, dass 22 Jahre nach «Die Unvernünftigen sterben aus» das neue Handke-Stück den Titel «Spuren der Verirrten» trägt. Etwas erinnert das Stück an das 15 Jahre zuvor entstandene Schauspiel «Die Stunde da wir nichts voneinander wussten». Damals ein Schauspiel im Wortsinn, denn es ist ein wortloses, also stummes Spiel, in dem ein Platz den Mittelpunkt der Handlung bildet und so zum heimlichen «Main Character» wird. Das Stück erzählt vom Leben und naturgemäß von den Alltäglichkeiten und den wenigen bedeutenden – oder bewussten? – Momenten.

Das Leben, das sich auf einem Platz ereignet, nacherzählen, die vielen kleinen und beiläufigen Augenblicke des Alltags festhalten, das ist die Handlung. Schauspieler hauchen einem erdachten Bühnen-«Platz» Leben ein, den die Wirklichkeit millionenfach bereithält. Doch Handkes Blick auf seinen Kunst-Platz macht jeden x-beliebigen Platz postum und danach zu einem Theaterort, zu einer Inszenierung. Das Theater veredelt, steigert so den Blick auf das Bekannte. Die Welt als Theater, das Theater als Welt begreifen, könnte die lapidare Erkenntnis lauten.
«Die Spuren der Verirrten» wirken zunächst so, als habe Peter Handke sein Thema wieder ...

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Theater heute Jahrbuch 2006
Rubrik: Neue Regeln, Seite 145
von Andreas Beck

Vergriffen
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