Antibibel gegen alles

Das Höchste und Widerwärtigste zugleich: Thomas Holtzmanns klassische Lesung des Bernhard-Romans «Alte Meister» ist endlich als Hörbuch erschienen

Theater heute - Logo

Wer alles liest, hat nichts begriffen, sagte er», spricht Thomas Holtzmann. «Der lesende Mensch ist wie der fleischfressende auf die wider­wärtigste Weise gefräßig und verdirbt sich wie der fleischfressende den Magen und die gesamte Gesundheit, den Kopf und die ganze geistige Existenz», sagt Reger, formuliert Holtzmann.

«Die höchste Lust haben wir ja an den Fragmenten», liest Holtzmann trotzdem einfach weiter, «wie wir am Leben ja auch dann die höchste Lust empfinden, wenn wir es als Fragment betrachten, und wie grauenhaft ist uns das Ganze und ist uns im Grunde das fertige Vollkommene.»

Holtzmann, mehrfach preisgekrön­ter Tragikomiker und bekannter TV-Star vom Bayerischen Staatsschauspiel zu München, trägt Thomas Bernhards als «Komödie» untertitelten Roman «Alte Meister» (1985) in der nun im Hörverlag erschienenen Aufnahme von 1991 also ganz vor. Und so lehnt man sich denn wohlig zurück, um über mehrere Abende verteilt auf sechs CDs dieser meist eher ruhig und immer sehr deutlich sprechenden Stimme eines Trägers des Großen Bundesverdienstkreuzes zuzuhören, die ungerührt Dinge vom Stapel lässt wie: «Der Staat hat mich, wie alle anderen auch, in sich hineingezwun­gen und mich für ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute Dezember 2005
Rubrik: Medien/TV, Seite 74
von Jan Süselbeck

Vergriffen
Weitere Beiträge
Wörter ohne See

Jesus sieht aus wie Hermes Phettberg, nur die ­Jeans sind nicht so versifft wie beim Original. Jesus ist Protagonist des neuen Franzobel-Stücks «Wir wollen den Messias jetzt oder Die beschleunigte Familie», einem Auftragswerk des Burgtheaters. Es handelt sich, wie der barocke Titel schon sagt, um eine Mischung aus Passionsspiel und Fami­liendrama: Der Erlöser ist...

Lob der Verschwendung

Man mag Mottos mögen oder nicht, die Münchner Kammerspiele haben sich für die neue Saison jedenfalls nicht irgendein wohlfeiles Klassikerzitat als Wahlspruch angeheftet, sondern gleich ein Gebot von beinahe biblischem Format aufgestellt: «Du sollst nicht sparen» prangt da mit golde­nen Lettern auf dem Titel des Spielzeithefts, und als dekorativer Hintergrund dienen...

Jammer und Fernweh

Stafettenwechsel nun auch in Halle. Auf etwas ruppige Weise waren die Honoratioren der Stadt und Peter Sodann letztendlich auseinander geraten. Sodann, der aus einem verrotteten Kino über Jahrzehnte hinweg mit Fantasie und Zähigkeit ein blitzblankes Kleinod gezaubert hatte (vgl. TH 2/2003), wollte sich von «seiner» Kulturinsel nicht trennen, die Stadt ihrerseits...