Dazugehören, dazuverstören

Saara Turunen «Das Gespenst der Normalität» (Deutsch von Stefan Moster)

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Vor dem Fernseher sitzt eine Gestalt, die aussieht wie tot. – So beginnt die Regieanweisung der zweiten Szene. – Die Gestalt schaut sich eine uralte Vogelsendung an, in der dieselbe Szene ständig wiederholt wird: Exotische Vögel flattern auf. Neben der Gestalt sitzt «der Bruder». Er ahmt die gleiche tote Erscheinung seines Vaters nach. Die Mutter fegt den Fußboden. Das «Mädchen, das wie ein Junge aussieht», ist ihr im Weg. Die Mutter regt sich auf, führt es in sein Zimmer und zieht ihm ein Kleid an. Dann gruppiert sich die Familie zu einem Bild rund um das Mädchen.

Aus dem Bild heraus wendet sich die Mutter ans Publikum: «Ich habe nur einen Wunsch in diesem Leben. Und der lautet, dass ich normal sein darf, also ein ganz gewöhnlicher Mensch. Und dass meine Familie ebenfalls normal ist, also eine ganz gewöhnliche Familie. Dass man sich nicht unnötig von den anderen abhebt, dass man gewöhnlich wäre, also ganz normal.»

Diese Szene hat etwas Rührendes, so unverblümt schlicht, wie die Mutter spricht, und gleichzeitig etwas Fieses, so automatisiert-übergriffig die Abläufe, so patriarchal und stumpf das Verhalten der Männer. Und darunter immer noch leiser Humor.

Saara Turunen ist Finnin, ...

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Theater heute Jahrbuch 2021
Rubrik: Neue Stücke, Seite 159
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