Alles nur Illusion
Mit den Clowns kommen die Keulen, drei an der Zahl. Fliegen in die Lüfte, stürzen hinab, springen aber wie von Geisterhand gehoben sogleich wieder in die Luft, unzählige Male, wie ein Perpetuum mobile, das sich dem wiegenden 6/8-Takt der Barcarolle anschmiegt, die so butterweich und süßlich kaum je zuvor durch den Graben gondelte, zwischen h-Moll und D-Dur hin und herschaukelnd. Könnte ein schönes Bild sein mit all diesen Menschen, die sich zu Beginn des vierten Akts in Offenbachs letzter Oper versammelt haben, um die Nacht der Liebe zu begehen.
Diseusen, Balletteusen, Flaneure, lauter schwärmerische Naturen. Und ja, da vorn, am Mikrofon, turteln die zwei Glamourgirls in glitzernden Morgenmänteln, Giulietta und Nicklausse, kräftig miteinander, berühren sich sanft mal da, mal dort, streicheln über Wangen und Hüften und Schultern. Aber etwas stimmt nicht in diesem Bild. Denn da ist ein zweiter Clown, grell geschminkt, diabolisch verdunkelt seine Miene, er gleicht auf verdächtige Art und Weise Arthur Fleck, dem traurig-tragischen Protagonisten aus Todd Philipps’ düster-dystopischem Thriller «Joker». Dapertutto, der diabolische Magier. Méphistophélès, Menetekel der Negation.
Ist zum ...
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Opernwelt Februar 2020
Rubrik: Im Focus, Seite 12
von Jürgen Otten
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