Alles nur Illusion

Krzysztof Warlikowski inszeniert «Les Contes d’Hoffmann» am Théâtre La Monnaie in Brüssel als Filmparabel, Alain Altinoglu irrlichtert durch Offenbachs Zaubergarten

Opernwelt - Logo

Mit den Clowns kommen die Keulen, drei an der Zahl. Fliegen in die Lüfte, stürzen hinab, springen aber wie von Geisterhand gehoben sogleich wieder in die Luft, unzählige Male, wie ein Perpetuum mobile, das sich dem wiegenden 6/8-Takt der Barcarolle anschmiegt, die so butterweich und süßlich kaum je zuvor durch den Graben gondelte, zwischen h-Moll und D-Dur hin und herschaukelnd. Könnte ein schönes Bild sein mit all diesen Menschen, die sich zu Beginn des vierten Akts in Offenbachs letzter Oper versammelt haben, um die Nacht der Liebe zu begehen.

Diseusen, Balletteusen, Flaneure, lauter schwärmerische Naturen. Und ja, da vorn, am Mikrofon, turteln die zwei Glamourgirls in glitzernden Morgenmänteln, Giulietta und Nicklausse, kräftig miteinander, berühren sich sanft mal da, mal dort, streicheln über Wangen und Hüften und Schultern. Aber etwas stimmt nicht in diesem Bild. Denn da ist ein zweiter Clown, grell geschminkt, diabolisch verdunkelt seine Miene, er gleicht auf verdächtige Art und Weise Arthur Fleck, dem traurig-tragischen Protagonisten aus Todd Philipps’ düster-dystopischem Thriller «Joker». Dapertutto, der diabolische Magier. Méphistophélès, Menetekel der Negation.

Ist zum ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt Februar 2020
Rubrik: Im Focus, Seite 12
von Jürgen Otten

Weitere Beiträge
Editorial Februar 2020

Gender bending, gender crossing – es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis die Duden-Redaktion diese Begriffe dem deutschen Wortschatz zuschlägt. Längst sind sie dem akademischen Milieu ent- und in der Alltagssprache angekommen. So wie das inszenierte Spiel mit verkehrten oder gemischten Geschlechterrollen, die Lust auf androgyne Entgrenzung seit geraumer Zeit im...

Tant de bruit pour une omelette

Die drittletzte der insgesamt rund 70 Opern Gaetano Donizettis, von den Häusern um des Kassenstands willen oft gespielt und vom Publikum mit Blick auf einen launigen Opernabend heiß geliebt – «Don Pasquale» ist doch fürwahr ein einfältiges Stück. Ein Schwank mit simpler Musik, eine Operette, aber nicht so gut wie «Die Fledermaus». Doch Vorsicht, die Behauptung ist...

Wie aus einem Guss

Manchmal ist weniger mehr. Die Opéra Comique ist nicht die Pariser Nationaloper, Messagers «Fortunio» (1907) nicht «Pelléas et Mélisande», kurz zuvor am gleichen Haus uraufgeführt. Und die Sänger, die auf der Bühne stehen, sind (noch) nicht jene, deren Konterfeis auf den Soloalben der Major-Labels prangen. Doch was für ein durch und durch befriedigender, ja...