Im Operabase-Ranking der meistgespielten lebenden Komponisten belegt Jonathan Dove inzwischen Platz drei – gleich nach Philip Glass und Jake Heggie, noch vor John Adams. Am 9. Dezember kommt in Bonn die 13. Oper des produktiven Briten heraus: «Marx in London»
«Marx in London»
Eine neue Oper von Jonathan Dove
Ein beliebtes Mittel kompositorischen Humors sind Parodien musikalischer Gemeinplätze.
Es gibt ein Trinklied, das Tafelsilber hat ein Leitmotiv. Mit traditionellen Methoden arbeite ich ja schon immer. Aber an keiner Stelle mache ich mich über andere Musik lustig.
Ihre Stücke bewegen sich meist in einem tonalen Gefüge, gefärbt durch charakteristische Modi. Wie klingt «Marx in London»?
Es gibt leichtfüßige Operettenmomente, beim Traum vom kommunistischen Paradies aber durchaus auch eine Art Grandeur. Für Marx verwende ich eine Skala mit erhöhter Quarte und erniedrigter Sexte, die wegen der prominenten Tritoni sehr kantig klingen kann, dank der Septakkorde aber auch verführerisches Potenzial hat. Jenny, die guten Grund zu Wut und Trauer hat, verfügt über viele Dur-Moll-Farben. Durch einen koloraturreichen Hang zur Dramatik zeichnet sich Tochter Tussi aus: zum Beispiel, wenn sie den Klavierlehrer für einen Spion hält. Tatsächlich ist es bloß Marx’ unehelicher Sohn, der sich ins Haus mogeln will. Freddy hat eine unkompliziert-pentatonische Musik. Und Friedrich Engels, der der Familie immer wieder aushilft, kommt in optimistischem C-Dur daher. Im Graben das volle Opernorchester: angereichert um Schreibmaschine (es kommt nämlich wirklich ein Spion vor) und Harmonium, für die Pfandleihe.
Ausnahmen bestätigen die Regel, aber tendenziell ist zeitgenössische Oper nicht zum Lachen. Wieso?
Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelten sich die musikalischen Mittel in eine andere Richtung. Ich glaube, viele Komponisten fühlten (und fühlen) sich vom Gewicht, der Ernsthaftigkeit, den wagnerianischen Dimensionen angezogen – und überließen das Komische dem Musical. Doch für die Zukunft der Oper ist es wichtig, dass sie Spaß machen darf. Und wenn ich an Stücke wie Gerald Barrys «Alice’s Adventures Under Ground» denke, glaube ich: Es könnte eine Trendwende im Gange sein.
Das Gespräch führte Wiebke Roloff Halsey