Ist es Segen oder Fluch, dass sich die Regie dort immer wieder dieselben zehn Werke vornehmen muss?
Ich habe zweimal in meinem Leben «Das Liebesverbot» gesehen und würde dies ungern ein drittes Mal tun. Aber im Ernst: Beim «Tannhäuser» hatte ich das Gefühl, dass er an diesem Ort rezeptionstechnisch noch nicht ausgeschöpft ist. Abgesehen davon, ist die Konzentration auf zehn Stücke schon das Alleinstellungsmerkmal des Festivals. Alle sieben bis neun Jahre gibt es eine neue Selbstverständigung mit dem Publikum, nicht nur über das jeweilige Werk, sondern anhand des Werks über die Zeit, in der wir leben – und das funktioniert nur mit einem festen Kanon. Es ist vielleicht ein bisschen wie bei den Büchern der Bibel, die immer wieder neu ausgelegt werden, was seit 2000 Jahren funktioniert – auch wenn ich Wagner längst nicht so hoch hängen will. Wenn man dies alles nun aus der Draufsicht und retrospektiv betrachtet, hat das gerade in seiner Geschichtlichkeit eine ungeheure Kraft. Wenn man selbst drinsteckt, gibt es natürlich das Problem, das man sich gerade bei prominenten Vorgängerinszenierungen erst freischwimmen muss. Beim «Tannhäuser» war das eher nicht der Fall. Der «Parsifal» wäre eine völlig andere Ausgangssituation gewesen.