Medientipp 19.10.
«Der Vorname»
Wer würde sein Kind heutzutage ADOLF nennen?! Gerade jetzt, wo die AfD auf dem Vormarsch ist und Fremdenhass um sich greift? Sönke Wortmann lässt in seinem Remake keines der aktuellen gesellschaftspolitischen Themen in Deutschland aus. Bereits 2012 verfilmten Alexandre de La Patellière und Matthieu Delaporte ihr Stück «Le Prénom» – und das mit einigem Erfolg. Die deutsche Variante steht ihrem französischen Vorgänger allerdings in nichts nach. Erfolgsregisseur Wortmann und Drehbuchautor Claudius Pläging arbeiten mit so raffinierten Wortspielen, karikieren so lustig & überspitzt, dass man zuweilen aus dem Lachen gar nicht mehr rauskommt.
Der Plot ist simpel: Elisabeth (Caroline Peters – in Schürze am Herd!!!) und ihr Mann Stephan (Christoph Maria Herbst) laden zum Abendessen in ihr stilvoll eingerichtetes Zuhause. Sie ist Grundschullehrerin, frustrierte Haus- und Ehefrau; er Professor für Neue Deutsche Literatur, der Cordanzüge wie eine zweite Haut trägt und absolut keine Gelegenheit auslässt, anderen sein Wissen unter die Nase zu reiben. Die Gäste: Elisabeths Bruder Thomas (Florian David Fitz), seine schwangere Freundin Anna (Janina Uhse) und René, (BRILLANT gespielt von Justus von Dohnányi), ein enger bruder-ähnlicher Freund der Familie. Der Abend verläuft ausgelassen, bis Thomas erwähnt, dass Anna und er planen, ihren Sohn Adolf zu nennen. Eine Ankündigung mit enormer Sprengkraft! Jetzt werden Leichen und verschwiegene Wahrheiten aus dem Familienkeller geholt. Jede*r kommt mal dran. Anna wirft ihrem beruflich erfolgreichen Mann vor, dass dieser ihre Schauspielkarriere nicht ernst nehme. Wer soll denn nun Elternzeit nehmen? Mann oder Frau? Sie als junge talentierte Frau, die hungert & raucht, um schlank zu bleiben, möchte schließlich auch eine krass-geile Karriere machen. «GEIL hat im Wortschatz eines Menschen über 18 nichts zu suchen!» kommentiert der über-intellektuelle Uniprofessor – auch ein Generationenkonflikt, schön am modernen Sprachgebrauch festgemacht, zieht sich durch. (Hier treibt es einem zuweilen die Schamesröte ins Gesicht, ist man selber jung; beim Rausgehen überlegt man sich gut, ob und wie oft man künftig Ausdrücke wie «geil», «krass» & «checken» verwendet.)
René wird für schwul gehalten. Auch hier werden alle Klischees rausgekramt. Kann ein Mann nicht Flieder tragen, Rosé mögen, seine Haut pflegen und TROTZDEM hetero sein? Ja. René nämlich ist heimlich mit Elisabeths & Thomas’ Mutter (Iris Berben), gewissermaßen seiner eigenen Ziehmutter also, liiert – dafür gibt’s von der wütenden Elisabeth eine Zitronentorte direkt ins Gesicht geklatscht und obendrein noch einen deftigen Faustschlag von Thomas.
Die Tortenschlacht war nur der Anfang... Kraftvoll wie Evelyn Hamann in «Pappa ante portas» legt Caroline Peters nun los und die Schürze gleichsam ab – viel besser! Jetzt wird dem Ehemann gegenüber ALLES auf den Tisch gebracht, was gewiss tausende Frauen genau so denken und fühlen. Ein fantastischer Auftritt einer fantastischen Schauspielerin in einer sehenswerten Komödie.
Janis Sooß