Eine, die nur zu gut weiß, was es heißt, in diesem künstlerInnenfeindlichen Klima Kunst zu schaffen, und nicht etwa im Hölderlinturm, sondern auf offener Straße, ist die Wiener Performancekünstlerin und Mitbegründerin des Lehrgangs Dramaturgie an der Universität für Musik und darstellende Kunst, Barbara Ungepflegt. Ihren Nom de Guerre legte sie sich, die im Zivilleben Barbara Kremser heißt, auf einem ChirurgInnenkongress zu, dort stellte sie sich KollegInnen ihres Lebensgefährten mit «gestatten, Ungepflegt» vor, was zum irritierenden Störfaktor in den sonst so reibungslos funktionierenden Smalltalks wurde.
An dieser kleinen Anekdote lässt sich schon ein Grundzug ihrer künstlerischen Herangehensweise erkennen. Kunst ist für sie nicht etwas, das eine illusorische Gegenwelt erzeugt, sondern Kunst ist wirklicher als die Wirklichkeit. Ja, in ihrer Funktion als Störfaktor, als Verunsicherungsmoment eingefahrener Hör-, Seh-, Denk- und Handlungsmuster, bringt Kunst erst die Wirklichkeit zum Vorschein. Der Raum, in dem sich Ungepflegt dabei bewegt, ist der öffentliche. Ihr wichtigstes Instrument, sie selbst oder besser die Kunstfigur, die sie geschaffen hat. Ungepflegt ist beispielsweise selbsternannte Ministerin für Heimatschmutz. In dieser Funktion reist sie, unter anderem mit einer «Zimmer frei»-Fahne ausgestattet, auf Parteitage der Freiheitlichen Partei oder richtet in einem U-Bahnwaggon nach Inkrafttreten des neuen Essverbots einen Speisewagen ein.
Den vollständigen Beitrag von Ferdinand Schmalz
finden Sie im Jahrbuch Theater heute 2019