Die Schauspiel-Höhepunkte des Jahres
43 Kritiker*innen votieren in der Umfrage von «Theater heute»
Die Würfel sind gefallen: 43 Kritiker*innen haben mit kühlem Kopf, heißem Herz und ihrer geballten Urteilskraft abgestimmt. Widersprüche sind garantiert, Einsprüche zwecklos!
Donald Trump, der in Elfriede Jelineks «Am Königsweg» namentlich nicht genannt wird und um den sich doch das ganze Stück dreht, hat in dieser Saison viele Theatermacher, Zuschauer und Kritiker in Atem gehalten. Vielleicht deshalb haben sie ihn und sich in «Am Königsweg» wiedergefunden und den Text mit 9 Stimmen zum Stück des Jahres gewählt – vor Ewald Palmetshofers Gerhart-Hauptmann-Überschreibung «Vor Sonnenaufgang» (7 Mal genannt).
Die Faszination für den König und seine Schamlosigkeit schlägt sich auch in anderen Kategorien nieder. Inszenierung des Jahres ist mit 6 Stimmen Falk Richters «Am Königsweg»-Uraufführung im Deutschen Schauspielhaus Hamburg! Gefolgt gleichauf von Simon Stones Strindberg-Sampling «Hotel Strindberg» am Wiener Akademietheater und der Berliner-Festspiele-Produktion von Vegard Vinge und Ida Müller «Nationaltheater Reinickendorf» mit jeweils 3 Voten.
In dieser neuen Ausgabe vom TheaterMagazin finden Sie unter anderem auch:
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Mit seinem Totaltheaternachbau in einer Lagerhalle im Berliner Stadtteil Reinickendorf hat das norwegische Duo Vinge/Müller außerdem die Bühne des Jahres gebaut: 8 Kritiker*innen haben dem Gesamtkunstwerk der beiden ihre Stimme gegeben. 3 Voten – und damit zweiter Platz – für SIGNAs Ausstattung der Mannheimer Benjamin-Franklin-Kaserne als Sektenzentrum «Heuvolk». Bei den Kostümen des Jahres setzte sich erneut der Hamburger «Königsweg» durch, für dessen Garderoben Andy Besuch (5 Mal genannt) durch 2000 Jahre Popkultur geritten ist. Auf dem zweiten Platz auch hier wieder das Team SIGNA mit 4 Nennungen für «Heuvolk» und weiteren 3 für «Das halbe Leid» am Deutschen Schauspielhaus Hamburg.
Schauspielerin des Jahres ist mit 7 Stimmen Burgschauspielerin Caroline Peters für ihre furiosen Parts in Simon Stones «Hotel Strindberg» – knapp vor Wiebke Puls, die 6 Nennungen für ihre Rollen als Frau Balicke in Brechts «Trommeln in der Nacht», aber auch als Rittmeister in Strindbergs «Der Vater» (beide Münchner Kammerspiele) verzeichnen kann. Mit 10 Stimmen wurde Benny Claessens zum Schauspieler des Jahres gewählt – für seine Rolle als kindlicher, publikumsausfälliger Performer-King im Hamburger «Königsweg». Auf Platz zwei liegt Jürgen Holtz (4 Mal genannt) für seinen Auftritt in Castorfs Version von «Les Misérables» am Berliner Ensemble.
Klare Regie-Siegerin in der Kategorie Nachwuchs ist Anta Helena Recke mit 8 Stimmen für ihre «Schwarzkopie» von Josef Bierbichlers «Mittelreich», basierend auf der Inszenierung von Anna-Sophie Mahler. Als Nachwuchsautor*in gleichauf liegen Thomas Köck mit «paradies (spielen)» (das außerdem 2 Voten in der Kategorie Stück des Jahres einheimst) sowie Enis Maci für «Mitwisser» mit jeweils 4 Stimmen. Nachwuchsschauspielerin des Jahres wird mit 3 Nennungen Kristin Steffen als Julia in Pinar Karabuluts Kölner Shakespeare-Inszenierung «Romeo und Julia».
Der Titel Theater des Jahres geht ans Theater Basel unter der Leitung von Andreas Beck (8 Mal genannt). Auch den umstrittenen, vor allem von der lokalen CSU-Fraktion geschmähten Münchner Kammerspielen, dessen Intendant Matthias Lilienthal nicht verlängern will, zollen die Kritiker*innen mit 5 Stimmen Anerkennung.
Bleibt das Ärgernis des Jahres: Wie schon im Vorjahr sind die Unmutsbekundungen gespalten in solche, die sich über die Berliner Kulturpolitik und den im April vor der eigenen Fehlkalkulation kapitulierenden Chris Dercon aufregen, als auch in solche, die wiederum den unfairen Umgang mit dem Team Dercon beklagen. Auch die Münchner CSU darf sich über ein paar Buh-Rufe für ihr Kunstverständnis freuen – womit noch nicht mal etwas über ihre schamlose Instrumentalisierung der Asylpolitik gesagt ist, die wiederum ganz auf der Linie des «Königs» liegt.
In diesem TheaterMagazin finden Sie auch aus dem aktuellen Jahrbuch von Theater heute:
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Johan Simons preist den Schauspieler des Jahres