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Kunst der Entspannung

Ein Stressforscher vermisst das Theater

Das Theater ist für mich als Besucher ein Zuhause. Eine Heimat, nach der ich mich sehne. Wie ein Vertriebener steige ich in diesen Tagen in die Archive des eigenen Gedächtnisses hinab, um dort zwischen verstaubten Erinnerungen zu stöbern. Und mich an einzelne Aufführungen zu erinnern. Ich habe jüngst das erste Mal seit Jahren in den alten Programmheften geblättert, die ich konsequent sammle. Bisher erschien mir das Sammeln der alten Programme wie ein wenig sinnvolles Hoarding-Verhalten. Jetzt hat es auf einmal einen Sinn.

 

Mir fallen plötzlich Inszenierungen ein, denen ich mich besonders hingegeben und die ich so oft angesehen habe, bis sie einen wiedererkennbaren Rhythmus offenlegten und mich damit in ihren Bann schlugen. Mein Rekord liegt bei neun besuchten Vorstellungen. Nicht en suite, aber innerhalb von vier Jahren während meiner Studienzeit in Wien. Das war «Das Käthchen von Heilbronn» in der Inszenierung von Hans Neuenfels am Burgtheater. Mit Anne Bennent als Käthchen und Marcus Bluhm als Graf Wetter vom Strahl. Am Ende konnte ich den Kleistschen Text auswendig und kannte jedes Regiedetail. So eine Tiefenerfahrung von Theater kann einem den Kopf wieder ganz schön gerade rücken, wenn er von Alltagsthemen zu schwer geworden ist. Und die Emotionen entlüften. Das klappt.

 

Ich entdeckte im Regal das Programm von Ariane Mnouchkines Atriden-Zyklus vom Pariser Théâtre du Soleil, gesehen bei den Wiener Festwochen 1993. Alle Vorstellungen waren restlos ausverkauft, und ich hatte keine Karte. Ich ging trotzdem hin, am Nachmittag vor der Premiere. Ich schlich mich irgendwie in den Zuschauerraum, der noch hergerichtet wurde, und versteckte mich hinter einer Requisitenkiste, von denen einige dort herumstanden, und wartete viele Stunden, bis die Vorstellung begann. Es war Ariane Mnouchkine selbst, die mich schließlich hinter der Kiste entdeckte. Sie war von meiner Entschlossenheit so erstaunt, dass sie mir später ein «Bravo» in mein Programmheft kritzelte und mich ihrem Ensemble vorstellte, statt mich aus dem Saal zu werfen. Mit einigen von ihnen verbindet mich bis heute eine Freundschaft.

 

Den gesamten Beitrag des Psychiaters und Stressforschers Mazda Adli lesen Sie in der Juniausgabe von tanz.