Auf dem Weg
Die Schauspielerin Wiebke Mollenhauer
Plötzlich ist sie da, die Schauspielerin Wiebke Mollenhauer. An der Leine zieht ein Hund, sie schaut einen wie auf der Bühne an, mit diesem offenen Blick, der immer ein Gegenüber sucht. Kaum jemand schaut die Kolleg:innen so aufmerksam an beim Spielen. Und bei Regisseur Christopher Rüping, mit dem sie eine lange Arbeitsbeziehung verbindet, gehen die Blicke oft über Rampe ins Publikum. Sie sieht gar nicht müde aus nach den vier Stunden «Nibelungen», keine Mimik der Erschöpfung zu erkennen. Ist halt ein Job. Eigentlich hat sie zwei.
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Zu ihrem Beruf hat sie schon früh Schutzdichtungen eingebaut. Drei Jahre lang hatte sie vorgesprochen, bis es mit der Schauspielschule klappte. Und nach wiederum drei Jahren Studium wusste sie auf einmal nicht, ob das alles richtig sei. «Eine Dozentin riet meinem damaligen Freund, ebenfalls Schauspielstudent, sich die Zähne operieren zu lassen, überhaupt erzählten alle ständig, wie man zu sein habe. Ich ging ein Jahr nach Indien.» Spätestens nach vier Monaten hatte Mollenhauer keine Lust mehr auf Strand. Erst arbeitete sie in einem Kinderheim. «Doch ich dachte mir, wenn ich bald wieder gehe, kann ich den Kindern nicht geben, was sie am meisten brauchen, und das ist Bindung.» Beim Anblick der vielen Straßenhunde, die «für die Leute wie Ungeziefer sind», hat sie einen Tierarzt angeschrieben. «Und dann haben wir die kastriert.» Später ist sie an eine Engländerin geraten, die alle Hunde töten wollte, weil sie nach dem Tod ihres Mannes das Tierheim schloss. Neun Tiere hat Mollenhauer gleich selbst mit nach Deutschland genommen, «das war sehr kompliziert!». Noch später hat sie bei einem Gastspiel in Taiwan ein Tierheim übernommen (wegen Covid vorübergehend geschlossen) und ist Teil eines Vereins zur Vermittlung von Hunden. Ja, es ist ein zweiter Job.
Der erste Job verändert sich derweil auch. Ob ausgedehnte Gastspielreisen noch möglich oder sinnvoll sein werden, wenn Riesenbühnenbilder um die Welt fliegen oder vor Ort teuer nachgebaut werden wie bei «Trommeln» in Peking? Werden wir eine Relokalisierung von Theater erleben, auch der reisenden reichen Häuser (für alle anderen standen Welttourneen ja selten auf dem Plan)? «Wenn man dann das Elend sieht zum Beispiel in Indien, ist das schwierig. Aber soll man das vergleichen?» Es waren Erfahrungen fürs Leben auch für Mollenhauer: Wie die Menschen in Taiwan abgegangen sind, als sie sich in «Trommeln in der Nacht» demokratisch für den einen oder anderen Schluss entschei den konnten zum Beispiel. «Auf fernen Gastspielen, wenn die Leute anders zuhören oder lesen, anders auf Szenen reagieren, ist das auch eine Schule, um zu merken: Was ich hier mache, ist nur ein Weg von vielen möglichen.»
Das gesamte Porträt von Tobi Müller lesen Sie in Theater heute 5/22