Wo die Kraniche ziehen

Eine dramatisch-soziologische Recherche: das Projekt «Über Leben im Umbruch» in Wittenberge und drei inspirierte neue Stücke am Berliner Gorki Theater: Fritz Katers «we are blood», Philipp Löhles «Die Überflüssigen» und Juliane Kanns «Fieber»

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Manchmal genügt ein Satz, um zu wissen, wann und wo ein Stück spielt. «Es wird nicht, was wir wollen, sondern wir wollen, was wird», meint die Kreisleitung. Damit wäre alles gesagt über die späte DDR und ihren Untergang: ein Staat, der sich nicht um die Wünsche seiner Bürger schert, sondern diese im Gegenteil autoritär dazu verdonnert, den Mangel zum Wunsch zu erklären.



«we are blood» beginnt im Sommer 1985 in einer idyllischen brandenburgischen Landschaft mit einer munter-rustikalen Funktionärsszene, wie sie dem jungen Heiner Müller aus der Feder hätte fließen können. Stellvertretender Minister schickt seinen alten Kumpel und Chefingenieur beim fröhlichen Datschenwochenende zur Großbaustelle ins Ausland, während dessen Freundin sich gerade aufs Kind freut. Und noch bevor der Konflikt zwischen Politik und Privat richtig aufwallt, geht am Horizont ein Kernkraftwerk hoch, das die DDR tatsächlich gebaut hätte, wenn sie nur alt genug geworden wäre: ein Reaktor vom bewährten Tschernobyl-Typ. Man wird Fritz Kater alias Armin Petras keinesfalls unterstellen können, dass er die alte DDR schönschreibt oder sich ostalgisch der Vergangenheit an den Hals kitscht. Aber man wird ihm auch nicht ...

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Theater heute Juli 2010
Rubrik: Stück des Monats, Seite 33
von Franz Wille

Vergriffen
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Freitag, 2.
9.45, Theaterkanal: Aufenthalt im Paradies – Beobachtungen am Meininger Theater – eine Reportage von Andreas Witter und Andrea Flörke


Samstag, 3.
19.40, Theaterkanal: Riesenbutzbach. Eine Dauerkolonie – ein Projekt von Christoph Marthaler und Anna Viebrock, mit Silvia Fenz, Olivia Grigolli, Christoph Homberger, Ueli Jäggi, Barbara Nüsse, Bettina...

Die andere Seite der Geschichte

Seitdem ich in Deutschland bin, habe ich das deutsche Theater, wie ich es erlebe, oft kritisiert und dem englischen Theater gegenübergestellt. Ich habe gesagt, das deutsche Theater ist «tief», philosophisch und politisch im Gegensatz zum englischen Theater, das wegen des anspornenden ökonomischen Drucks auf Publikumserfolge aus ist. Andererseits habe ich oft...

… und wir sind nur die Kandidaten

Dies ist so ziemlich der letzte Ort, an dem damit zu rechnen war, eine Spielekonsole in die Hand gedrückt zu bekommen. Bislang pflegt das Theater als Hort der Hochkultur schließlich kaum Sympathie für gepixelte Zerstreuungen und widmet sich – wenn überhaupt ­– lieber der kulturkritischen Betrachtung des Amoklaufs, als selbst den Zuschauer mit einer virtuellen...