Das Wachsen der Berge

Lieber alles einfrieren, bevor es anbrennt? Das kann man auch anders sehen, meint der Schauspieler und Regisseur Josef Bierbichler

Theater heute - Logo

Im Fernsehen spielt Friedrich Gulda Mozart. Er trägt ein buntes Hawaiihemd und hat eine Muslimkappe auf dem Kopf. Gulda könn­te, denkt man, weil er im Fernsehen nicht nur zu hören, sondern auch zu sehen ist, übertreiben. Der Gedanke kommt einem, weil andere klassische Klavierkünstler statt eines Hawaiihemdes meist ein weißes Hemd und einen schwarzen Anzug anhaben. Das Hawaiihemd und die Muslimkappe sehen da vergleichs­weise übertrieben, zumindest ungewohnt aus, so, als wollte Gulda sich als Künstler stilisieren, also verkünsteln.

Sofort denkt man auch, wenn man so denkt, ob wohl auch sein Klavierspiel etwas Übertriebenes, Exaltiertes oder Manieriertes hat, und damit dem Mozart schaden könnte – und hört ganz genau hin. Da ist aber nichts. Sein Mozartspiel kommt leicht daher und witzig. Und Guldas Kleidung ist schon fast nicht mehr zu sehen. Weil sein Spiel eindeutig und damit aufmerksamkeitsdominant ist.
 

Natürlich könnte er noch ein bisschen feiner spielen – oder noch fulminanter. Solange er die Menage der Kunst im Blick behält, gibt es da keine Grenzen. Aber es scheint, dass das Äußerste an Gulda/Mozart erreicht ist. Vielleicht würde alles zusammenbrechen, wenn Gulda jetzt auf ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute März 2010
Rubrik: Wagnis Demokratisierung?, Seite 44
von Josef Bierbichler

Vergriffen
Weitere Beiträge
Wir hier drinnen, ihr da draußen

Es beginnt schon im Programmheft zu Laurent Chétouanes Büchner-Inszenierung. Zwei Texte von Roland Barthes krei­sen darin um den Zustand der Erschöpfung, des fundamentalen Überdrusses, davon, «von unserer Lebensweise, unserem Verhältnis zur Welt genug zu haben. ... Alles wiederholt sich, alles dreht sich im Kreis: die gleichen Aufgaben, die gleichen Begegnungen,...

Intelligenz? Kompetenz? Fantasie?

Wuppertal hat ’ne ganz eigenartige Melancholie. Ich bin früher da zur Schule gegangen, hab lange Jahre dort gelebt, glaube, das ist die Stadt mit den meisten Treppen der Welt. Ich liebe die Stadt dafür und für ihre eigenartige Tristesse. Aber wenn man da das Theater wegnimmt, werden selbst diejenigen, die überhaupt nicht ins Theater gehen, es früher oder später...

Wenn die Hoffnung zum Debakel wird

In der Regel formulieren wir unsere Erwartungen für die nähere und fernere Zukunft auf der Grundlage von Linearitätserwartungen: Ein Mehr an Investition wird nach gewisser Zeit auch zu einem Mehr an Erträgen führen, mehr Wissen ist die Grundlage größerer Bildung, und dementsprechend erwarten wir auch von einer Politik der Demokratisierung eine Ausdehnung und...