Öffnungen, Entdeckungen
Kann mal bitte jemand die Zikaden abstellen? Theater beim Festival von Avignon ist zu weiten, oft den schönsten Teilen Theater an der freien Luft. In romanischen Kreuzgängen, barocken Innenhöfen, klassizistischen Gärten. Das hat zur Folge, dass auch mal ein dicker Käfer auf dem Mond im «Sommernachtstraum» herumbrummt oder dass weit oben im Pro -vencehimmel die Schwalben kreischen, ohne sich weiter um das Bühnengeschehen zu kümmern. Und eben so gut wie durchgehendes Grillengezirpe.
Ab Temperaturen um 23 Grad legen die Langfühlerschrecken los, heißt es, in diesen Sommernächten wurde die Grenze selten unterschritten. Kein Wunder, ärgert sich der schicke Rockstar – weiße Cowboystiefel, weiße Fransenjacke, weißer Stetson – in Philippe Quesnes «Garten der Lüste» («Le jardin des délices»). Er will ein selbstverfasstes Gedicht rezi -tieren, der Insektengesang stört. Womit er nicht gerechnet hat, und ganz gewiss auch niemand im Publikum, ist, dass sein Kollege am Keyboard dienstbeflissen einen Schalter umlegt – und es herrscht Stille im Felsenrund.
Cowboys, Eier, 3D-Skelette: Quesne meets Bosch
Wie er die Grillen zum Schweigen gebracht hat, bleibt Philippe Quesnes Geheimnis. Der ...
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Theater heute Oktober 2023
Rubrik: Festivals, Seite 27
von Andreas Klaeui
Am 11. Juli dieses Jahres starb der 1949 im Berliner Osten geborene, durch die produktive Zusammenarbeit mit Heiner Müller bekannt gewordene Maler-Bühnenbildner Hans-J. Schlieker, der alles Sehbare sehen, alles Einsehbare vergessen und nur Künstler sein wollte. Interessiert nur an dem, was ist, jenseits von Begriffen und Beschreibung. Er hielt Kunst als Tätigkeit...
Man muss ein Mensch sein.» Was ist ein Mensch? Ist der Mensch ein Tier? Ein Mensch sein – eine große Aufgabe. Eine Frau sein, eine noch größere? Die Fragen könnten nicht grundsätzlicher sein, der Bühnenaufwand nicht geringer. Ein leerer Wohnzimmerkasten mit Sofa und Schreibtisch, in der Mitte eine Schiebetür, das ist alles. Große Fragen, wenig Worte. «Man darf kein...
Die Briefe von Felix Ganz gehen unter die Haut. Eben noch ein wohlhabender Teppichgroßhänd -ler und Fabrikant in Mainz mit internationalen Verbindungen, einer großen Villa am Rhein und rauschenden Festen, haben ihn die Nazis enteignet, entwürdigt und mit seiner Frau Erna in ein kleines Zimmer im Mainzer «Judenhaus» gegenüber der Gestapo-Zentrale verbannt. Seine...