Ach, Mensch

Annalena Küspert, Konstantin Küspert «Über Leben» im Schauspiel Dortmund

Theater heute - Logo

So kann die Zeitgeschichte über ein Stück hinwegdonnern. Am 19. Februar 2022, bei der Uraufführung in Münster, waren all die augenzwinkernden Survival-Tipps, die das Stück «Über Leben» wie ein Refrain strukturieren, noch gleichermaßen abstrus. Wohlstandsmenschen brauchen schlicht keine Hinweise zum Überlebenskampf in fließenden Gewässern, bei Bärenangriffen, im Treibsand oder «im Krieg».

Wenn jetzt in der nächsten Inszenierung und nach über einem guten Dreivierteljahr Krieg in der Ukraine das Dortmunder Ensemble gutgelaunte Tipps herausposaunt wie «suchen Sie ein starkes, unterkellertes Gebäude als Schutzraum» und «sprechen Sie nicht über Politik», erstarrt das Publikum. 

Allerdings nur für einen Augenblick, mehr Luft lässt die Sinnesüberforderungs-Inszenierung von Ruven Bircks nicht. In einem bunkerartigen Diorama mit Gaze-Überzug spielen Sarah Quarshie, Nika Miškovic, Alexander Darkow und Ekkehard Freye im schnellen Wechsel mal Wissenschaftler:innen, mal Außerirdische, apokalyptische Reiter:innen, Mitglieder einer Weltuntergangs-Sekte, «das Internet als Chor», Überlebende eines Flugzeugabsturzes oder schlicht Menschlein, die mal wieder gar nichts raffen. Daniela Sülwold filmt ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute Februar 2023
Rubrik: Chronik, Seite 56
von Cornelia Fiedler

Weitere Beiträge
Vorgerechnete Sprengkraft

Ein Berg aus Verlängerungskabeln in Schwarz, Grau und Gelb auf der Bühne macht umgehend deutlich, worum es hier geht: um Energie. Allerdings nicht um den medial höchst präsenten, tatsächlichen und möglichen Mangel in Folge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine, sondern im Gegenteil um einen zerstörerischen Überschuss an Energie in Form von Atomwaffen. Chris...

Zeiten der anderen Wirklichkeit

Putins Tod dauert ungefähr 20 Minuten. Der russische Machthaber wird vergiftet, erschlagen, erwürgt, ersäuft, erschossen. Auf den grotesken, irrwitzig gespielten Todeskampf folgt sanfte Musik. Dann tosender Applaus im vollen Saal des Teatr Lesi, am Rande der Lwiwer Innenstadt. «Wie ich den Krieg getroffen und Putin fast getötet habe» ist ein Gastspiel dreier...

Körper oder Geist?

Ein alter Mann (Edgar Selge) findet einen toten Jungen im Bett und stammelt «Papa». Was kann das sein? Es wird einige Zeit dauern, bis sich das Rätsel aufklärt: Der alte Mann ist eigentlich eine junge Frau, die sich in diesen fragilen Körper begeben hat, der tote Junge eigentlich ein alter Mann, ihr Vater, der im fremden jungen Körper an einem Aneurysma gestorben...