Der Samowar wird kalt
Die russische Seele zeigt sich in Dostojewskijs «Dämonen» von ihrer finstersten Seite. Der spöttische Plauderton, den der Roman anschlägt, ist trügerisch; die Figuren haben kaltblütige Morde und andere abscheuliche Taten auf dem Gewis -sen. Nikolaj Stawrogin, der Held des Romans, hat ein paar Jahre in Petersburg und sogar in der Schweiz verbracht, bei seiner Rückkehr in die heimatliche Kleinstadt wird er wie ein Halbgott empfangen. Seine aufwieglerischen Freunde sehen das lang erwartete Alphatier in ihm; die Frauen des Städtchens finden den ruppigen Typen unwiderstehlich.
Stawrogin aber möchte nur seine Ruhe haben, alle Menschen gehen ihm auf die Nerven, er selbst am allermeisten. Er könnte auch der depressive Protagonist einer Tschechow-Komödie sein; nur, dass Tschechow-Protagonisten keine 14-jährigen Mädchen missbrauchen und in den Selbstmord treiben, wie Stawrogin das in Petersburg einst getan hat.
Auf der Bühne des Burgtheaters sieht es aus wie in einem Magazin, in dem die Möbel von mehreren Tschechow-Stücken eingelagert sind. Dutzende Stühle, ein paar kleine Tische und Samoware stehen herum (Bühne: Nadja Sofie Eller). Umgrenzt wird der große Raum von golden schimmernden ...
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Theater heute 1 2023
Rubrik: Aufführungen, Seite 24
von Wolfgang Kralicek
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