Nachbeben

Arthur Miller «Hexenjagd»

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Inmitten der Bühne schwebt eine Leinwand. Gesichtslose Knetmännchen führen hier einen grotesken Tanz zu elektronischen Klängen auf, in dessen Verlauf sie sich mit Nadeln erstechen. Dann erschüttert ein Erdbeben das aus weißen Spanplatten und Gerüststangen zusammengeschraubte, sich über zwei Ebenen erstreckende Bühnenprovisorium, Tassen in einem videoprojizierten Schrank fangen an zu scheppern, Lampen wackeln bedrohlich, gleichzeitig krampft ein Mädchen auf einem Bett in konvulsivischen Zuckungen: Pastors Betty kämpft mit dem Nachbeben der letzten Nacht.

 

Ein imposanter, aber nirgendwohin führender Auftakt einer Neuauflage von Arthur Millers Ende des 17. Jahrhunderts in Massachusetts spielender McCarthy-Parabel «Hexenjagd» von 1953, die Sebastian Baumgarten auf die grundlegenden Übel des heutigen medien- und fastfoodgeschädigten Amerika überträgt. Der «ideologische Krieg», der die historische Hexenverfolgung von Salem auch war, in dem «der Feind zunächst nur eine Idee ist» (Miller), lässt sich durchaus auf die ideologisch religiöse Doktrin eines George W. Bush beziehen, der nicht nur Angriffskriege gegen «das Böse» führt, sondern auch, wie mit dem Patriot Act, rechtsstaatliche ...

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Theater heute Juni 2006
Rubrik: Chronik, Seite 36
von Natalie Bloch

Vergriffen
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